Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
Vom Netzwerk:
führte überschüssige Wärme ab. Das war auch der Grund, weshalb das Schiff der Geliebten schwarz war: weil schwarze Körper Wärme ebenso wirksam abstrahlen wie aufnehmen.
    Der Gedanke gab ihm Selbstvertrauen. Ich bin hier der Boss, sagte er sich. Die Geliebte hat mir erlaubt hierherzukommen, weil ich ihre Realität bestimme.
    Die vielschichtigen Trommelrhythmen hämmerten auf ihn ein. Undeutlich begann er einige Muster zu verfolgen. Er erkannte, daß die schwarzen Soldaten, überwältigt von der Nähe ihrer Geliebten und der Unmittelbarkeit ihres Getrommeis, ihre freien Gliedmaßen, ihre Finger und Zehen im Takt zu einem der Muster bewegten.
    Die Willenlosen auf dem Fußboden bewegten sich zu einem anderen Rhythmus. Die Geißeltierchen zu einem weiteren.
    Das Muster der Geliebten umfaßte all ihre Geschöpfe.
    Er sah, daß Sechsundzwanzig einen Satz seiner Zehen um eine Ausstülpung der Wand gehakt hatte, die große Ähnlichkeit mit einer Griffstange hatte. Ubu manövrierte sich neben Sechsundzwanzig und schob einen Stiefel hinter die Stange. Er spürte, wie sich das Harz dehnte, als es die Belastung aufnahm, während er im Wind schwankte, und wie es sich dann in einem neuen Winkel verfestigte. Er warf erneut einen Blick auf das Ganze, das die Geliebte war, und sah, daß alles lebte und sich bewegte. Er würde es verstehen, dachte Ubu, er würde seine Existenz erfassen.
    Akkorde ertönten in seinem Kopf, formten die Struktur, die er brauchte. Er zwinkerte sich Schweiß aus den Augen.
    »Gepriesen sei die Geliebte«, sagte er.
    Er erzählte ihr, was er sie wissen lassen wollte.

24. Kapitel

    Bis zum nächsten Jetzt, Shooter.« Kit schüttelte den Kopf. »Adieu, Maria.« Die schöne Maria sah zu, wie Kit kehrtmachte und sich über die Niedriggrav-Docks von Angelica zum Schiff seines Vaters davonstieß. Eine greifbare Traurigkeit saß in ihrem Hals und kämpfte mit der Freude über die geringe Schwerkraft, die ihren Körper nach den zehn Wochen mit hohen ge-Werten auf der Abrazo durchflutete.
    Maria stieß sich ab und flog über das Deck. Wind fuhr ihr durch die Haare. Die Elektronenwelt tanzte in ihrem Geist. Plötzlich schlug ihr Herz schneller, und die Traurigkeit war fort.
    Ihr Körper sang vor Freude, als sie über das graue, polymerisierte Deck dahinglitt und die Dockebenen zu den Niedriggrav-Wohnsiedlungen hinaufsprang. Sie mietete sich ein Hotelzimmer in der Nabe, einem Ort, der hauptsächlich von Mutantos bevölkert wurde. Sie würde ein paar Tage in der geringen Schwerkraft verbringen, damit sich ihre müden Gelenke erholen konnten. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer folgte Maria zwei Mutanto-Kindern durch den sechseckigen Korridor. Der hintere Junge hatte kurzgeschnittenes Haar, das im Nacken zu einer kleinen Spitze zusammenlief. Das erinnerte sie an Kit.
    Sie wunderte sich über die Freude, die sie empfand, und fragte sich, ob sie unangemessen war. Sie hatte Kit auf eine bestimmte Art unglücklich gemacht; bedeutete das, daß sie kein netter Mensch mehr war?
    Die zehn Wochen bei eins komma zwei G waren nicht so schlimm gewesen, wie sie es hätten sein können. Da es nun nichts mehr ausmachte, gab Marco der schönen Maria das Terminal zurück. Sie sah sich stundenlang Illustreifen an, machte Spiele und benutzte das Terminal gelegentlich, um mit Leuten, die sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte, Spiralen zu spielen. Sie achtete darauf, nicht zu mogeln, und ihre Gewinne und Verluste hielten sich mehr oder weniger die Waage.
    Es fiel ihr schwer, nicht zu mogeln. Die Elektronenwelt schien nie weit weg zu sein; sie tanzte stets an der Peripherie ihres Geistes. Wenn sie die Augen schloß, konnte sie auf der Rückseite ihrer Lider in phosphoreszierenden Farben gemusterte Felder sehen. Mit einer Handbewegung konnte sie sie verwandeln und den Strom ändern.
    Kit blieb bei ihr und brachte ihr das Essen, hatte ihr jedoch nicht viel zu sagen. Seine Anwesenheit verhinderte, daß sie von der Einsamkeit überwältigt wurde, und mehr wollte sie zu diesem Zeitpunkt auch nicht.
    Die hohen ge-Werte lasteten schwer auf allen. Eine gewisse Trägheit machte sich breit.
    Durch Kit bekam sie mit, daß Marco der Familia befahl, bei Engel zu bleiben und ihre reguläre Fracht einem Tramper zu übergeben. Sie wußte auch, daß Marco verzweifelt versuchte, jeden Hochleistungscomputer zu kaufen, den er in die Hände bekommen konnte. Es würden nicht genug für eine komplette Ladung sein, nicht im Angelica-System. Die Abrazo würde

Weitere Kostenlose Bücher