Engelstation
Begrüßung. Ridge warf einen Blick auf die Lichter des Susperides. »Kommst grade aus dem Hotel, hm? Bißchen Spaß mit ’ner Mudville-Touristin gehabt?«
»Sowas ähnliches.«
»Solltest lieber hoffen, daß du dir keine Läuse geholt hast. Wenn du Läuse an Bord bringst, wird’s dir leid tun.«
»Ich hab keine Läuse.«
»Hab für ’ne Sekunde dran gedacht, dich mitzunehmen. Wir wollen zu ’nem Sexschuppen in der Nabe rauf, den ich kenne, und uns ’n paar Froschladies besorgen. Die können ’n paar heiße Sachen mit den zusätzlichen Armen machen, die sie statt Beinen haben. Aber deine Touristin hat dich wahrscheinlich total fertiggemacht, und nun bist du müde, stimmt’s?«
»Ja. Müde.«
Ridge klemmte ihn wieder in seine Armbeuge ein. »Ja. Müde«, äffte er ihn spöttisch nach. Er schaute zu den beiden Männern hoch, die bei ihm waren. »Der Kleine kommt gut klar mit den Mädels, auch wenn er gar nicht so aussieht. Aber wenn du ihn dazu bringen willst, drüber zu reden, ist das wie Zähne ziehen. Warum eigentlich, Kleiner?«
Kit schaute zu ihm hoch, in das hübsche, anzüglich grinsende Gesicht. Er hatte nicht so viele Jahre mit Ridge zusammengelebt, ohne zu lernen, wie er mit ihm klarkommen konnte – wenigstens manchmal. »Ich will dich vor deinen Freunden ja nicht blamieren«, sagte er.
Ridge prustete los und boxte Kit mit seiner freien Hand gegen die Brust. Kit bemühte sich, nicht so auszusehen, als ob es wehgetan hätte.
»Mach dir darüber keine Gedanken, Kleiner«, sagte Ridge. »Ich glaube, ich werde den System hier gleich mal so einiges zeigen. Du erzählst mir jetzt was von diesem Touristenmäuschen, okay?«
Kit nickte und versuchte sich jemanden vorzustellen, der möglichst wenig Ähnlichkeit mit Maria hatte. »Blond«, sagte er. »Kurze Haare. Ungefähr in meinem Alter. Implantierte Diamanten in den Wangenknochen, wie sie manche von denen haben. Sie war mit ihrer Mutter hier, die zum Spielen raufgekommen ist.«
Kit sah, wie sich das Grinsen auf Ridges Gesicht ausbreitete, und erkannte, daß er einen Fehler gemacht hatte. »Mit ihrer Mutter?« fragte Ridge. Er lachte. »Du solltest mich der Mama vorstellen, Kleiner. Ich finde, die ganze Familie sollte was vom Suarez-Talent haben, oder?«
»Sie gehen mit dem nächsten Shuttle den Schacht runter. Tut mir leid, daß du sie verpaßt hast.«
Ridge verstärkte seinen Klammergriff um Kits Hals. »Der kleine Scheißkerl lügt«, sagte er. »Er will die ganze Familie für sich haben, der Saftsack.«
»Es stimmt«, krächzte Kit. Er merkte, wie Ridges Unterarm ihm die Arterie abdrückte. Blaue Sterne wirbelten am Rand seines Sichtfelds.
»Ja? Wie heißen die beiden? Ich werd’ mir die Passagierlisten ansehen, du Arschloch.«
Kit rang nach Luft. Die blauen Sterne wurden zu Novae. »Crystal Sowieso«, brachte er heraus. »Prüf’s doch nach, Herrgott noch mal!«
Der Druck auf seine Luftröhre ließ nach. Kit sog dankbar Luft ein. Er hätte Ridge erzählen sollen, merkte er, daß die Mutter des Mädchens mit ihrem Freund hier war.
»Ja. Na, was soll’s? Ich will eh zum Sexschuppen. Wir sehen uns später, kleiner Bruder.«
»Vetter. Syster.« Man konnte den Sarkasmus in Kits Stimme als Resultat der Quetschung seines Kehlkopfs auslegen. Er zwinkerte sich sternenfarbene Kleckse aus den Augen und sah den dreien nach, wie sie zum Transportband gingen, einem nach oben fließenden quecksilbrigen Wasserfall, der sie zur Nabe bringen würde. Kaskaden von Gelächter wehten von ihnen herüber, während sie sich entfernten. Kit rieb sich die Kehle und wandte sich von ihnen ab.
Er war ein de Suarez; das hatte er akzeptiert. Die Familie war alles, das einzige, was im Krieg der de Suarezes gegen die anderen zählte: Das war die Suarez-Gesinnung. Kit hatte auch dies akzeptiert, mit gewissen Einschränkungen. Er war es der Familie schuldig, daß er seine Pflicht und seine Arbeit tat, und zwar so gut er konnte. Solange er das tat, war alles andere seine eigene Angelegenheit. Das war die geheime Abmachung, die er mit sich selbst getroffen hatte. Allerdings eine verräterische Abmachung, nach den Suarez-Maßstäben. Kit wußte das, aber er wußte auch, daß es nicht anders ging. Die schöne Maria würde sein Geheimnis bleiben, eins der wenigen Dinge, die er nicht mit seinen Onkeln, Tanten, Neffen und Kusinen auf dem überfüllten Schiff teilen mußte. Eine kleine, private Detente in dem Krieg, den De Suarez Expressways Ltd. mit der Menschheit ausfocht.
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