Engelstation
Ein paar Augenblicke des Friedens hier auf der Engelstation.
Ubu lehnte sich in den gepolsterten Liegesessel im Kommandokäfig zurück. Er hatte auf der Kommunikationsschalttafel ein Dross-Lied aufgerufen, und kühle Spektren waberten durch seinen Geist, während die Audoline Töne der Harmonielinie beugte; jeder war ein Glissando, das auf Katzenpfoten durch Ubus Nerven schlich. Maxim saß auf Ubus nackter Brust, die Füße unter sich gezogen, und seine Stirn stieß an Ubus Kinn. Ubu streichelte die Katze mit allen vier Händen im Rhythmus der Percussion, immer von vorn nach hinten. Maxims Schnurren war eine angenehm kratzende Disharmonie. Weiße Härchen schwebten in der Luft, weil die Schwerkraft auf der Station so niedrig war.
Die Symmetrie ist gebrochen, unsere Zeit ist vorbei , hieß es im Text, uns bleibt nur die Hoffnung, und die ist Ketzerei . Ein Lied von Fetnab und Sanjay Gupta, die einmal Shooter gewesen waren, bevor sie das Leben zugunsten des Erfolgs in anderen Bereichen aufgegeben hatten.
Ein früher Shooter-Text. Vielleicht würde ihn sonst niemand verstehen.
Ubus Nacken kribbelte von dem kurzen Druckausgleich, der bedeutete, daß Maria durch den Zugangsschlauch zur Station hereinkam. Im gleichen Moment stellten sich Maxims Ohren ruckartig nach hinten. Ubu langte zu der Tastatur auf der Armlehne des Sessels und schaltete die Musik ab.
Maria begann die Leiter herabzusteigen. Auf den hohen weißen Spann ihrer Füße und die gespannten Achillessehnen folgte die wogende graue Wolke ihres Kleides. Ihre langen Haare federten zurück, als sie auf den Boden sprang, eine blauschwarze Welle, die sich langsam hob und wieder herabfiel. Sie drehte sich um, bückte sich über ihn und küßte ihn ernst. Ihre Lippen schmeckten nach Zitrone. Maria begann Maxims Hals zu kraulen. Der Kater streckte eine Pfote aus, um sich gegen den Druck, den die neue Zärtlichkeit auf ihn ausübte, im Gleichgewicht zu halten. Ubu spürte das Pieksen von Krallen auf seiner Haut.
»Wir sind ein bißchen raus aus der Scheiße«, sagte er. »Marco de Suarez hat die Schürfer gekauft, aber nicht ihre Gehirne.«
»Wieviel Schulden haben wir noch?«
Ubu zeigte mit dem Kinn. »Ist im Computer. Schau’s dir an.«
Sie drehte sich um, schaltete das Display ein und biß sich auf die Lippen, als sie die Zahlen sah. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht gut.«
Ubu richtete sich auf und setzte die Katze auf den Boden. Maxim kratzte sich mit einer Hinterpfote am Ohr. »Wieviel hast du beim Blackhole gewonnen?«
»Es reicht nicht. Die Einsätze sind nicht hoch genug. Bei dieser Rate würde ich Wochen brauchen. Ich könnte auch alles verlieren, wenn ich müde oder leichtsinnig werde.«
»Mit dem, was du gewonnen hast, könnten wir in einen Touristenclub gehen und Rouge-et-noir spielen.«
Ihr Gesicht war von ihm abgewandt. »Das hab ich noch nie gemacht.« Ihre Stimme ging im Zischen der umgewälzten Luft unter.
»Wenn du verlierst, haben wir nicht viel eingebüßt.«
»Das ist ein hartes Spiel. Total abstrakt. Nicht leicht für mich.«
»Maria.«
Sie schwieg. Ubu konnte die Umrisse ihres Körpers im graugrünen Lichtschein des Holodisplays sehen. Er wartete.
»Okay«, sagte sie. Ihre Stimme war noch leiser als zuvor. Ubu hatte das Gefühl, sie per Telepathie zu hören; seine Ohren konnten dieses winzige Flüstern unmöglich aufgenommen haben.
»Was können wir sonst tun?« fragte er.
»Nichts.«
Er trat von hinten an sie heran und legte die Arme um sie, drückte die Wange an die Wärme ihres Ohrs. Er spürte die Spannung in ihr. »Willst du dich vorher ausruhen? Wir haben noch ein paar Tage Zeit.«
»Ich bin ausgeruht. Aber vielleicht ein paar Stunden unter den Alpha-Elektroden.«
»Wie du willst. Ich geh die Regeln für Rouge-et-noir suchen. Die müssen irgendwo sein. Dann kannst du sie dir ansehen.«
Der Blick ihrer dunklen Augen ging in die Ferne, ohne ihn wahrzunehmen. Ubus Nackenhaare sträubten sich, als ihm klar wurde, was sie sah: einen Ort, wo es keine Wahl mehr gab, einen Ort, der von Abfall wie der Runaway , den Long Reach-Kolonien und dem sterbenden, inmitten seines Plunders kreisenden Pasco erfüllt war. Ubu ließ die Arme sinken, wandte sich ab und hob die Katze auf. Maxim schnurrte laut an seiner Brust.
»Ich wünschte …« Marias Stimme.
»Ja?«
»Nichts.« Sie rieb sich die Stirn mit dem Daumen. »Vielleicht sollte ich mich doch ein bißchen ausruhen.«
»Ganz wie du willst.«
Maria schob sich an ihm vorbei
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