Engelstation
Schrei des Erstaunens und der Ehrfurcht von Maria, gefolgt von dem verblüfften Klatschen ihrer nackten Füße auf dem Boden.
Die Hülle des Eindringlings war dunkel, aber einige Gebilde auf seiner Oberfläche fluoreszierten im heißen Lichtschein des Plasmas – flackernde Spektralbilder, die wie eine planetare Aurora tanzten, blaßgrün, hellblau und blutrot. Das Schiff war so rund und uneben wie eine Walnuß. Aus einem Ende schoß ein weißer Plasmastrom, am anderen saßen die magnetischen Greifer. Seine Oberfläche war von Antennen und anderen Gebilden gesprenkelt, bei denen es sich um die Skelette von Frachtkränen handeln mochte. Sie wurden von dem grellen, ionisierten Strom und der wabernden, geisterhaften Aurora aus dem Dunkel gehoben. Beulen – wahrscheinlich Luftfahrzeuge – klebten wie Kletten an dem Schiff; ihre Plazierung wirkte willkürlich.
Dieses Schiff war niemals von Menschenhand erbaut worden. Soviel war vom ersten Moment an klar.
In Ubus Nerven brannte ein weißglühendes Feuer. Blitzartige Überlegungen zuckten ihm durch den Kopf. Der Eindringling schoß vorbei und wurde zu einem dunklen Umriß vor dem alpinen Lichtschein seines Flammenstrahls. Ubu streckte blindlings die Hand zur Systemtafel aus, um sich zu vergewissern, daß der Vorbeiflug des Aliens aufgezeichnet worden war.
Er drehte sich zu Maria um. Ihre grauen Augen hingen immer noch ehrfürchtig an dem zurückweichenden Bild auf dem Videoschirm. Ubu lachte, und Maria sah ihn überrascht an.
»Maria«, sagte er. »Das ist unser großer Treffer.« Er lachte erneut und hob alle vier Arme zu dem dunklen Ovoid, das sich vor dem grellen Plasmalicht abzeichnete.
»Shooterfrau«, lachte er. »Wir haben gerade das große Los gezogen.« Sie starrte ihn an.
»Als erstes«, sagte er, »bringen wir sie dazu, einen Vertrag zu unterschreiben.«
9. KAPITEL
Allgemein-Willensfrei Zwölf spürte, wie das helle, gitterartige Harz um ihn herum weicher wurde. Die Lösung hatte seinem Körper und seinem Gehirn neue Nährstoffe zugeführt, und die speziellen Geleezellen, die seinen Verstand und sein Gedächtnis polsterten, hatten ihre Pufferflüssigkeiten abgegeben; jetzt schrumpften sie, so daß die neuralen Verbindungen ausgeweitet werden und die Gehirnmasse anschwellen konnte. Während subzellulare Reparatureinheiten durch sein Nervensystem fluteten, abgenutzte und ausgefranste Nervenenden heilten und chemische Transmitter aufbauten, reinigten andere maßgeschneiderte Einheiten Kapillargefäße und erneuerten Muskelgewebe. Während dieser Prozedur waren die Schmerzzentren von Zwölf abgeschaltet, aber er hatte trotzdem das unheimliche Gefühl, daß eine Botschaft zu ihm durchzudringen versuchte. Hier und dort zwickte ihn etwas, in den Gliedmaßen ebenso wie im Geist; es fühlte sich wie kleine, stechende Stromstöße an. Der Schmerz wurde durch einen anderen Teil seines Gehirns geleitet, so daß er ihn wie aus zweiter Hand erlebte.
Zwölfs harzreiche Haltegurte zum Schutz vor hohen ge-Werten lösten sich allmählich auf, so daß er in der schwerelosen Kammer hin und her zu schaukeln begann. Als seine Sehkraft zurückkehrte, sah er, daß noch andere mit ihm in dem Raum hingen, drei Allgemein-Willensfreie, zwei Navigator-Willensfreie, zwei riesige Frachtschlepper und einige Allzweck-Willenlose. Einer der Navigatoren hing leblos da. Sein Fütterungssystem war während des Transports ausgefallen.
Zwölf machte den Mund auf, und seine Geschmacksfühler schnellten hervor, um die Umgebung zu prüfen. Ein scharfer Strahl warmer, würziger Luft begann die flüssigen Harzreste zu den Schirmen zu blasen, die sie sammeln und zur weiteren Verwendung aufbewahren würden. Winzige Willenlose krochen über Zwölfs Körper, leckten seine Haut mit schabenden Zungen sauber und zirpten, als sie Nahrung entdeckten.
Die Luft sprach. »Kommt zur Geliebten«, sagte sie. »Kommt zur Verschmelzung.« Eine Woge der Freude spülte über Zwölfs Rücken. Geschmacksfühler zitterten am Rand der Ekstase. Er drosch im Versuch, sich zu befreien, auf seine wenigen verbliebenen Haltegurte ein.
Schaumige Nährflüssigkeit schoß aus dem Mund von Allgemein-Willensfrei Acht. Seine Lungen füllten sich mit Luft, und er schrie; er schlug mit seinen Gliedmaßen wild um sich. Etwas war schiefgegangen. Die Schmerzblocker hatten zu früh ihren Dienst eingestellt. Seine Nabelschnur riß, und er trieb heftig strampelnd durch den Raum. Der Stumpf der Nabelschnur blutete. »Geliebte!«
Weitere Kostenlose Bücher