Engelstation
kreischte Achts Moder. Zwölf hob einen Arm, um Acht abzuwehren. Acht krallte nach der Tür und schaffte es, sich mit einer krampfhaften Zuckung in den Korridor hinauszuschleudern.
Die größeren Willenlosen folgten Acht. Die Frachtschlepper machten den toten Navigator los und rumpelten zu den Auflösungskammern davon. Zwölfs letzter Gurt riß, von seinen scharfen, spitzen Innenfingern durchtrennt. Er schwebte in der Honigwabenkammer, wobei er nur noch an der Nabelschnur hing, und wartete ungeduldig darauf, daß der Prozeß zum Abschluß kam. Die subzellularen Reparatureinheiten beendeten ihre Arbeit und lösten sich in Komponenten von Proteinketten auf, die durch die Nabelschnur aus seinem Körper gespült wurden. Seine Brust hob und senkte sich, als er Flüssigkeit aus seinen Lungen pumpte. Er rang keuchend nach Luft. Die Lungenbläschen blähten sich mit einer Reihe knackender und knisternder Laute auf. Er fühlte, wie der Zustrom von Nährstoffen nachließ, als sich seine Nabelschnur zuzuschnüren begann. Sie trennte sich selbst ab und gab ihn frei. Ein paar schwerelose Blutstropfen lösten sich von dem Band, das sich selbsttätig zersetzte. Zwei kleine Willenlose sprangen nach dem Blut und saugten es begierig auf. Zwölf kletterte an der Nabelschnur bis zu ihrer Wurzel und drehte sich um, stellte gespreizte Füße mit langen Zehen auf die Oberfläche und stieß sich zum Ausgang. Der überlebende Navigator folgte ihm.
Der Korridor draußen hatte einen ovalen Querschnitt und wurde von kalten Leuchtstoffleisten erhellt. Die Trommelfelle in den Wänden brachten unwiderstehliche Rhythmen hervor. Zwölf schwebte mühelos den Korridor entlang und kam unterwegs an Allgemein-Willensfrei Acht vorbei. Acht stand unter Schock. Er hatte sich zu einem Fötus zusammengerollt; Arme und Beine bewegten sich immer noch matt, während er durch den Korridor trieb. »Geliebte«, wimmerte er. Zwölf wich ihm aus. Seine vorderen Augen waren entschlossen nach vorn gerichtet. Acht war offenkundig der Auflösung geweiht.
Andere bewegliche, intelligente und halbintelligente Wesen füllten die Korridore. Zwölfs Herz raste. Er hatte noch nie so viele seiner Mitbewohner gleichzeitig wach und munter gesehen. Etwas Ernstes mußte geschehen sein, wenn so viele mobilisiert wurden. Er fragte sich, ob Krieg war, dann schoß ihm ein glühend heißer Schmerz durch die Gelenke und verjagte jeden Gedanken aus seinem Kopf: Die Schmerzblocker wurden umgewandelt.
Feuchte Wärme breitete sich über Zwölfs Haut aus. Seine Fühler kribbelten. Er näherte sich der Geliebten.
»Lob und Ehre«, sang er. »Lob und Ehre.«
Die Geliebte nahm mehrere Kammern im Zentrum des Schiffes ein, und ihre durchscheinende Haut bedeckte die Wand von etlichen weiteren. Zwölf schwebte eilig zu einem dieser Räume, einer Verschmelzungskammer, in der sich ein großes Trommelfell, das einen drängenden Rhythmus aussandte, mehrere pulsierende Herzen und ein Bündel neuraler Nabelschnüre befanden, das wie eine spinnenartige Anemone in der Luft hin und her wehte und sanft im Rhythmus ihres Atems schwankte – denn eins ihrer Nasenlöcher war hier, um die Düfte ihrer pflichtbewußten Kinder einzuatmen und die Hormone abzugeben, die die unbeschreibliche Essenz des herrlichen, ewigen und transzendenten Ichs der Geliebten übertrugen.
Mehrere Kinder der Geliebten hingen bereits in dem Raum. Jedes war mit einer Nabelschnur verbunden. Eifrig ergriff Allgemein-Willensfrei Zwölf eine der Nabelschnüre mit seinen plumpen Außenfingern und brachte sie an seiner Schädelbasis an. Die Nabelschnur saugte sich fest, und die mikroskopisch kleinen Neuronen der Geliebten drangen mit ihren Bohrspitzen aus Diamant durch seine Haut, zusammen mit der sanften Woge eines Narkotikums. »Lob und Ehre, Lob und Ehre«, sang Zwölf, während er schwerelos am Ende seines elastischen Bands hing. Andere Kinder der Geliebten – Schlepper, Konstrukteure, Reiniger, Willensfreie und Willenlose gleichermaßen – stießen ihn auf der Suche nach anderen Nabelschnüren an. »Lob und Ehre. Lob und Ehre«, meldeten sie sich alle.
Zwölfs Körper zuckte in Ekstase, als sich die Nerven der Geliebten mit seinen eigenen verbanden. Seine Persönlichkeit schmolz dahin. Lustzentren wimmerten und säuselten in höchster Glückseligkeit.
Wartet, wartet, sendete die Geliebte.
Zwei Allzweck-Willenlose erschienen mit dem Körper von Allgemein-Willensfrei Acht, der sich immer noch bewegte. Acht wurde an eine
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