Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Schultern. »Irgendwas von unklaren Umständen und vorsichtshalber in Anbetracht der Ereignisse. Was weiß ich, was in einem Staatsanwaltskopf vorgeht. In Anbetracht der Ereignisse – das hört sich ja an, als ginge hier ein Serienmörder um.«
Mist, dachte Pieplow. Er würde die Familie informieren müssen. Diesmal nicht, weil Kästner sich vor so was gern drückte. Diesmal, weil er selbst versprochen hatte, sich darum zu kümmern.
»Alles klar. Ich sag’ Käthe Niemann Bescheid.«
»Und dem Professor«, ergänzte Kästner.
»Wieso das?«
»Schöbel weiß, dass der Schnippler eigentlich Urlaub hat. Trotzdem soll er gefragt werden, ob er die Obduktion übernimmt, weil er doch schon die äußere Leichenschau gemacht hat.«
»Dann wäre es vielleicht das Einfachste, er ruft ihn an?«
»Schon. Aber der Herr Professor ist nicht erreichbar. Hat sein Telefon abgestellt.«
Pieplow griff wortlos nach Autoschlüssel und staatsanwaltschaftlicher Anordnung.
»Moment, Moment!« Kästner gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. »Das ist noch nicht alles.«
»Was denn noch?«
»Schöbel will wissen, wo Manfred Graber vorletzte Nacht war. Zwei von den Anrufern haben nämlich behauptet, dass Wanda ermordet worden ist und dass sie auch wüssten, von wem.«
»Manfred Graber?«, fragte Pieplow erstaunt.
»Genau der.« Kästner nickte bedeutungsvoll. »Weil ihm das Wasser bis zum Hals steht und weil Marlies als einzige Verwandte Wandas Vermögen erbt, sagen sie. Anonym, natürlich.« Kästners verächtlicher Ton machte klar, was er davon hielt.
»Gibt’s denn so was? Ein Vermögen, meine ich.« Pieplow dachte an Wandas Haus. Schön, aber schlicht. Irgendeinen Hinweis auf Reichtum hatte er nicht entdecken können. Aber das musste nichts heißen. Wanda wäre nicht die Einzige, die ein erkleckliches Sümmchen auf der hohen Kante hatte und das sorgfältig verbarg. Das war besser, als den Neid der Hiddenseer zu wecken, denen man nachsagte, sie gönnten keinem auch nur einen Fischschwanz mehr, als sie selbst besaßen.
»Keine Ahnung. Es war nicht die Rede davon, dass sie Geld hatte. Und selbst wenn. Das gibt niemandem das Recht, solche Gerüchte zu verbreiten. Und wenn sich die beiden Pfeifen hundert Mal mit ihm überworfen haben.« Kästner schnaubte empört.
»Wie wär’s, wenn du mir verrätst, von wem du sprichst?« Pieplow hatte da so seine Vermutungen, wollte aber sichergehen, dass sie an dieselben Männer dachten.
»Von wem wohl? Der eine war Pulle, da gebe ich dir Brief und Siegel drauf. Und Zorowski. Von den anderen Halunken, denen ich das Gleiche zutrauen würde, ganz zu schweigen.«
Pulle Nowack, der so hieß, weil er praktisch nie ohne Kornflasche unterwegs war, wenn er Hecken schnitt oder Rasen mähte. Der, wenn’s schlecht lief, zwei Tage brauchte für das, was Manfred Graber in vier Stunden schaffte und Nowack damit nach und nach fast alle Kunden abspenstig machte. Denn die interessierte nur, wer ihnen zuverlässig den Garten auf Vordermann brachte, und nicht, wer am längsten im Geschäft war.
Und Zorowski. Dennis Zorowski. Ein jähzorniger Tagedieb mit einem Hang zu Schlägereien nach Fußballübertragungen. Als ihn Manfred Graber im vergangenen Jahr vorm Wieseneck windelweich prügelte, hatte Kästner sogar mit Reizgaseinsatz drohen müssen, um die Streithähne zu trennen.
»Ich hab Schöbel geraten, sich die beiden mal genau anzugucken, bevor er sich mit solchen Zeugen auf Mördersuche begibt.«
»Sagtest du nicht, die Anrufe waren anonym?«
»Klar waren sie das. Was ja wohl nichts heißt, wenn der eine zwischen Stumpen und Zahnlücke durchnuschelt und der andere das’R’ rollt, als wär’ er nicht von hier.«
Noch hatte Kästner die Anrufaufzeichnungen nicht gehört, wusste auch nicht, ob sie ihm jemals vorgespielt würden. Aber wenn, dann würde er die unverwechselbaren Stimmen erkennen, verkündete er, dann wäre Schluss mit der Anonymität von Pulle und Zorro. Und mit jeder Art von Polizistenhöflichkeit. Von wegen Zeugen. »Der größte Lump im Land ist und bleibt der Denunziant. Ist zumindest meine Meinung.«
Und mit der hatte Kästner noch nie hinterm Berg gehalten, das wusste Pieplow.
Der Besuch bei Käthe Niemann war kurz. Sie bat ihn nicht ins Haus. Sie verzog keine Miene. Stand nur still da mit ihrem krummen Rücken und musterte ihn aus bleichen, wässrigen Augen. Sagte mit tonloser Stimme schließlich: »Dass ihr ihm das antut...« und machte Pieplow die Tür vor der Nase zu,
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