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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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was hatte es mit seinem Traum auf sich?
    Wenn er schon Spökenkiekerei betrieb, konnte er sich auch damit befassen.
    »Es wird Zeit, dass du kommst«, hatte Wanda gesagt. Und auch, dass niemand sonst die mysteriöse Aufgabe erfüllen konnte, die sie ihm zugedacht hatte.
    Wenn man es genau betrachtete, nicht nur sie.
    »Jemand muss sich um sie kümmern, verstehen Sie?« Er hörte das Flehen in Anita Burgwalds spröder, erschöpfter Stimme wieder, die auch nicht verstummte, als in Pieplows Kopf sich ausgerechnet Kästner einmischte: »Du sollst um Mitternacht am Swanti sein... Weil Wanda dorthin kommt und dich zu ihrem Mörder führt.«
    So ungefähr musste sich Schizophrenie anfühlen. Ein Chor von Stimmen im Kopf, die einem wer weiß was einreden wollten.
    Pieplow griff nun doch nach seinem Bier, auch wenn Alkohol in diesem Zustand vielleicht nicht das Richtige war.
    »Lange mache ich das nicht mehr mit«, verkündete er sich und seinen Stimmen. »Noch eine Flasche Bier und dann ist Ruhe im Karton. Ich bin müde, ich muss ausschlafen und gebe mich von Berufs wegen nicht mit Stimmen von Leuten ab, die nicht mal da oder sogar tot sind. Kein Polizist macht das. Schon deswegen nicht, weil er womöglich Berichte schreiben oder sonst wie Rede und Antwort stehen muss: ›Was hat Sie zu dieser Auffassung veranlasst, Obermeister Pieplow? Gab es Hinweise? Zeugen?‹«
    Man stelle sich vor: Morgenlage im Bergener Kommissariat. Die ganze Mannschaft um den Tisch versammelt. Ausnahmsweise Inselkollege Pieplow mit von der Partie. Mit einem ausführlichen Bericht seiner Besprechungen mit diversen inneren Stimmen. Lebendigen und toten.
    Allein der Gedanke daran erzeugte das Gefühl von Verlegenheitsröte auf Hals und Gesicht.
    Zugeben zu müssen, er habe doch nicht schlafen können und sei deswegen »nur so« um Mitternacht auf dem Swanti gewesen, wäre ihm schon unangenehm genug. Was allerdings voraussetzte, irgendwas – oder irgendwer? – könnte ihn veranlassen, darüber zu berichten.
    Davon war nun wirklich nicht auszugehen, beschwichtigte Pieplow sich, während er die Senkel seiner Schuhe fest und mit einem Doppelknoten zum Abschluss schnürte.
    So weit kommt’s noch, Rechenschaft ablegen, warum man eine Nachtwanderung macht. Ich folge schließlich keinem Hinweis. Ich lasse mich treiben. Was ja wohl nicht als Polizeimaßnahme begründet werden muss.
    Weshalb es ihn ausgerechnet heute und ausgerechnet zum Swanti trieb, erforschte er nicht eingehender. Oder tat wenigstens so, als interessiere ihn nicht, wer oder was ihn in die Nacht hinauslockte.
    Obwohl er eigentlich nicht wusste, wozu, verstaute er die Taschenlampe in seiner Jacke. Im Dorf würde er sie nicht brauchen, wo genug Licht wie in milchigen Pfützen rund um die Laternenpfähle zwischen den Häusern lag. Und im Wald sickerte so viel Mondlicht durch die Baumkronen, dass Pieplow mühelos den Pfaden folgen konnte, die Wanda zwei Nächte zuvor gegangen sein musste.
    Über den Hexenberg an borkigen Kiefern vorbei, die stramm und pfeilgerade dem Himmel zustrebten, anstatt sich knorrig und krumm dem ewigen Wind zu beugen wie die armen Verwandten am Rand des Hochufers. Zwischen den glatten Säulen gigantischer Buchen und den Wracks ihrer entwurzelten Brüder hindurch, die wie sterbende Riesen ihre zersplitterten Arme schwarz und steif ins Mondlicht reckten. Am Windbruch entlang, wo Flechten wie dürres Altfrauenhaar über tote Zweige herabhingen.
    Über allem wie modrig warmer Atem die sanft bewegte Luft des Nachtwalds.
    Pieplow atmete tief. Um den Schauer zu vertreiben, den der dunkle Zauber ihm über den Rücken laufen ließ. Um die Stille in sich hineinzusaugen. Und wohl auch, um sich von einer Beklemmung zu befreien, gegen die er sich wehrlos fühlte.
    Sie verflog, als er hinter dem Klausner in die offene Landschaft trat.
    Keine Häuser, kein Wald. Nur fahles Licht, in dem die Hügel des Hochlands schwammen, und die gleichmäßige Kennung des Leuchtturms kilometerweit über Land und Meer.
    Hier kam Pieplow schneller voran. Er schritt zügig aus, und als er den steilen Aufstieg zum Swanti erreichte, war ihm so warm, dass er die Jacke auszog und sie mit den Ärmeln um seinen Bauch knotete.
    Im Sanddorngestrüpp hingen Reste von Flatterband. Sonst deutete nichts darauf hin, dass er sich einem Tatort näherte. Und doch zuckte er zusammen, als über ihm, irgendwo im Buschpelz des Swantirückens, plötzlich ein Vogel schrie.
    Auf einem kleinen Plateau hielt er inne. Lauschte

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