Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Pieplow erstaunt. Mit wem, zum Kuckuck, hatte die tote Wanda noch gesprochen?
»Du brauchst gar nicht so blöd zu fragen«, beschwerte sich Zorro. Seine zigarettenraue Stimme nahm hörbar übel. »Steh du mal mitten in der Nacht einer Toten gegenüber und die erzählt dir was von Sühne und so’n Zeug. Das kann dich kirre machen, auch wenn du schläfst.«
Allerdings, dachte Pieplow und wunderte sich kaum noch, dass sie beide hier saßen. Der Dorfrüpel und sein Polizist. Was noch lange nicht hieß, dass der Rüpel rauchen durfte.
»Steck das sofort wieder weg! Oder willst du uns jetzt abfackeln, wo du uns schon nicht über die Klippe schmeißen konntest?«
Wortlos versenkte Zorro Tabak und Blättchen wieder im schwarzen Sweatshirt.
»Es gehört schon einiges dazu, mich mit Manfred zu verwechseln.« Mit den Händen deutete Pieplow schrankbreite Schultern an.
Es war nichts als eine Vermutung, dass Zorros Aktion etwas mit Manfred Graber zu tun hatte. Aber so, wie Zorro herumfuhr und ihn anstaunte, hatte Pieplow damit voll ins Schwarze getroffen.
»Wie kommst du denn da drauf?«
»Du machst aus deinem Herzen nicht grade eine Mördergrube. Und Manfred hast du eiskalt hingehängt. Erst im Wieseneck und dann bei der Kripo. Ohne den kleinsten Beweis, nur weil du ihn nicht ausstehen kannst.« Pieplow schüttelte missbilligend den Kopf. Sehr missbilligend.
»Das kannst du gar nicht wissen. Das war anonym«, gab Zorro sein Denunziantenwissen preis.
»Im Wieseneck schon mal sowieso nicht. Und bei der Kripo nützt es nur bedingt etwas, seinen Namen nicht zu nennen. Die haben da so ihre Methoden. Wir übrigens auch. Einmal hingehört und schon hatten wir dich erkannt.« Mit flatternder Zungenspitze demonstrierte Pieplow den entscheidenden Hinweis. Zorrrro.
»Scheiße.«
»Könnte man sagen. Sei froh, wenn das kein Nachspiel hat.«
»Aber er war’s«, beharrte Zorro. »Und wenn du er gewesen wärst, hätte ich dich frikassiert.«
Pieplow brauchte eine Sekunde, bis er der Aussagelogik folgen konnte.
»Wusste ich’s doch. Du hast hier auf der Lauer gelegen und auf Manfred Graber gewartet.«
Nachdrückliches Nicken. Genau.
»Aber warum sollte er hierherkommen?«
»Weil sie ihn schickt, natürlich.«
Logisch. Im Inneren des mystischen Gebäudes, durch das sie gerade streiften, war das logisch. Aber draußen blies der raue Wind des Faktischen, in dem Traumbotschaften nichts nutzten. Gar nichts. Da zählten ausschließlich Beweise. Handfest und überprüfbar.
Etwas mühsam kam Pieplow auf die Beine. Unter der Anstrengung schmerzte die Beule an seinem Kopf heftiger und brachte ihn auf eine Idee.
»Zorro, ich schlage dir einen Deal vor. Über unseren Zusammenstoß heute Nacht hältst du dicht. Und zwar absolut. Und du hörst auf, Manfred Graber nachzustellen. Genauso absolut. Klappt das, sage ich auch nichts. Klappt das nicht, sorge ich dafür, dass du vor den Kadi kommst. Wegen Körperverletzung«, Pieplow deutete auf seinen Hinterkopf, »wegen Widerstandes gegen einen Vollstreckungsbeamten und wegen übler Nachrede zum Nachteil von Manfred Graber. Hast du mich verstanden?«
»Muss ich ja wohl.«
»Ich will ein klares Ja!«
»Ja, doch: Ja!« Zorro machte sich nicht die Mühe, die Reste des Grases, in dem er sich mit dem Vollstreckungsbeamten gewälzt hatte, von Sweatshirt und Hose zu zupfen. Wortlos stapfte er hinter Pieplow her den Pfad vom Swanti hinunter in den Honiggrund.
»Kann ich jetzt rauchen?«
»Nein. Ist genauso verboten wie da oben, das weißt du doch. Aber du kannst mir erklären, warum du dich so für Wanda ins Zeug legst. Das habe ich nämlich bis jetzt nicht verstanden.«
Zorro zierte sich. Da gäb’s nicht zu verstehen, behauptete er. Auch für jeden anderen würde er sich so reinhängen, wenn’s um die Gerechtigkeit ginge. Und Wanda sei nun mal eine ganz besondere Frau gewesen. Eine, die tief drinnen in den Menschen die Wahrheit sah. Eine Wahrseherin sozusagen und...
»Hör auf mit dem Geschwurbel, Zorro. Komm zur Sache. Was hast du mit Wanda zu tun gehabt?« Pieplow blieb stehen und senkte einen forschenden Blick in Zorros Augen unter der schwarzen Kapuze. »Ich warte.«
»Aber nur, wenn du dichthältst. Kein Sterbenswort zu niemand«, forderte Zorro. Als könnte es auch dort unliebsame Zuhörer geben, wanderte sein Blick zu den Fensterreihen des alten Leuchtturmwärterhauses, vor dessen Zaun sie standen. Alles dunkel.
»Ich kann nichts verschweigen, was für die Ermittlungen wichtig
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