EngelsZorn - Im Blutrausch
bekommen hatte. „Du bist ja ganz schön hartnäckig...“, stieß sie leise aus. Isabelle riss erneut ein Stück Papier von ihren Berechnungen ab und ließ ihm ihre zweite Abfuhr zukommen. „Der hat jetzt bestimmt genug....“, murmelte sie und griff nach der auf dem Bistrotisch liegenden Getränkekarte, schlug sie auf und hielt sie sich vor die Nase. Doch sie las sie nicht. Tatsächlich versuchte sie aus ihren Augenwinkeln heraus zu beobachten, ob die Blonde an ihrem Nachbartisch ebenfalls eine Nachricht von Sébastian zugesteckt bekäme.
„Man kann die Karte bestimmt besser lesen, wenn die Buchstaben nicht auf dem Kopf stehen...“, rief ihr der Kellner lachend zu und streckte ihr Sébastians dritte Nachricht entgegen.
„Oh... stimmt...“, stammelte Isabelle verlegen und errötete.
Sie klappte die Getränkekarte zu, legte sie beiseite und las Sébastians dritte Nachricht. Das Les Ambassadeurs war ein preisgekröntes Gourmet-Restaurant, das sich im früheren Ballsaal des an dem Place de la Concorde gelegenen Stadthauses aus dem 18. Jahrhundert befand und als eines der besten Frankreichs galt. Sie selbst war noch nie dort gewesen, da die Preise für ihre Verhältnisse zu hoch waren. Sie hatte jedoch gehört, es solle dort sehr nobel sein. Ein Geschäftspartner, der im Les Ambassadeurs schon des Öfteren gespeist und ihr vor Kurzem sogar beschrieben hatte, wie das Interieur des Luxus-Restaurants aussähe, hatte ihr vor einigen Tagen, als das Gespräch zufällig auf dieses Restaurant gefallen war, gesagt: „Stellen Sie sich einfach den Rokoko sowie den Barock vor... mischen Sie beide Stile zusammen und voilà Sie wissen, wie es aussieht und auf den Gast wirkt. Man fühlt sich, als diniere man im Königshaus... und die besten Tische sind die mit dem Blick auf den wunderbaren Place de la Concorde, Mademoiselle Dion. Sie sollten auch mal reingehen! Das Essen ist einfach phantastisch!“
Für die letzte Nachricht an ihren Verehrer brauchte Isabelle fast die dreifache Zeit, da sie unschlüssig war, ob sie die Einladung annehmen oder ablehnen sollte. Nachdem der Kellner Sébastian ihre dritte Nachricht überbracht hatte, rief sie ihn kurz darauf zu sich, um zu zahlen. Nachdem sie den Geldbeutel wieder in ihre Tasche gesteckt hatte, stand plötzlich Sébastian ganz überraschend vor ihr. Sie war so aufgeregt, dass sie ihn nur stumm ansah, als er sie ansprach und sich von ihr verabschiedete.
Anschließend wandte er sich von ihr ab und verließ das Café.
2
Isabelle fuhr mit quietschenden Reifen auf den Firmenparkplatz der Renard S.A.R.L., bremste scharf und parkte ihren Jaguar neben dem Mercedes von Christian Renard. Außer den beiden Fahrzeugen war kein weiteres auf dem Gelände zu sehen. Die Renard S.A.R.L. hatte ihren Sitz in einem prächtigen Gebäude aus dem 17. Jahrhundert nicht weit vom Park de la Planchette entfernt im westlichen Teil von Paris nahe der Seine. Mehrere alte Kastanien zierten den Vorhof des prächtigen Gebäudes und im Sommer war es eine wahre grüne Flut, wenn man durch diese alten Bäume hindurch laufen musste, um zum Vordereingang zu gelangen. Doch jetzt lag schon der erste Schnee, der ein Vorbote des nahenden Winters war, auf deren kargen, dünnen Zweigen. In der Finsternis ragten diese alten Kastanien bedrohlich ihre dicken Äste in den Himmel und sahen aus wie versteinerte Riesen, die das Gebäude bewachten. Isabelle war es immer schon sehr unbehaglich gewesen, im Dunkeln durch diesen Vorhof zu gehen.
„Mist, er hat‘s schon wieder vor mir geschafft...“, murmelte sie und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. Es war völlig egal, zu welcher Tageszeit sie einen Termin mit Renard vereinbart hatte, er war grundsätzlich schon immer vor ihr da. Renard hatte sich schon vor langer Zeit zur goldenen Regel gemacht, seinen Mitarbeitern immer mit einem guten Beispiel voranzugehen. Dass es die meisten seiner Angestellten nicht interessierte, warum er das tat, hatte er nicht bemerkt. Als Chef der Firma war er nicht besonders beliebt und er hatte wirklich alles dazu beigetragen, dass sich diese Tatsache all die Jahre seines Firmenbestehens über auch nicht änderte.
An diesem Morgen hatte Isabelle den Wecker nicht gehört. „Verdammt! Schon so spät!“ Sie war aus dem Bett gesprungen, ins Bad geeilt und hatte sogar das Frühstück ausfallen lassen, nur um wenigstens einmal vor Renard im Büro zu sein. Sie hatte sich lediglich die Zeit genommen, Sébastian einen liebevolle n Guten
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