EngelsZorn - Im Blutrausch
wäre sie einfach von zu Hause davongelaufen. Da sie jedoch keinen gehabt hatte, war da s Cécile mit der Zeit zu ihrem Zuhause geworden, zu ihrer kleinen Welt, der einzigen, die sie gekannt, die sie geliebt, in der sie sich geborgen gefühlt hatte, denn die große Welt dort draußen war ihr immer schon fremd gewesen und machte ihr zudem große Angst. Sie hatte in der Tat nur ihre eigenen vier Wände gekannt, was auch der einzige Grund dafür gewesen war, bei ihrer Mutter zu bleiben. Ihre Angst vor dem Unbekannten hatte sie tatsächlich immer wieder zurückgehalten, die Flucht vor ihrem trostlosen Leben i m Cécil e zu ergreifen. Auch hatte sie weder einen Reisepass noch einen Personalausweis besessen. Es existierte noch nicht einmal eine Geburtsurkunde von ihr. Die Ärzte, die Chloé aufgesucht hatte, waren von Cécile ebenfalls mit Schwarzgeld geschmiert worden. Die Arztrechnungen hatte sie immer gleich bar bezahlt. Somit hatte wahrhaftig noch niemand angefangen, sich über die Herkunft von Chloé ernsthafte Gedanken zu machen.
„Sieh‘ mich nicht so vorwurfsvoll an! Hast doch eine Menge Geld verdient, seit du für mich arbeitest? Oder hätt‘ ich dich damals einfach ins Waisenhaus stecken sollen? Du solltest mir dankbar sein, dass ich dich nicht dorthin gebracht hab‘!“, erwiderte Cécile bösartig.
„Die hätten zumindest keine Hure aus mir gemacht! Hättest du mich doch nur dorthin gebracht! Vielleicht wüsste ich dann, wie eine Schule von innen aussieht!“ Chloé wurde langsam immer lauter.
„Psssst, schrei‘ hier nicht so rum!“, schalt sie Cécile schroff. „Papperlapapp! Waisenhaus und Schule. So ein Blödsinn! Weißt du denn nicht, dass die Kinder dort ins Bergwerk gesteckt werden, um Kohle für die zu scheffeln?“
„Mutter!“ rief sie entrüstet aus. „Ich bin nicht so dumm, wie du denkst und wie du’s gerne hättest! Hab‘ vor dem Fernseher viel gelernt!“, rechtfertigte sie sich verlegen.
Cécile lachte sie höhnisch an. „So, so... du denkst also, du bist gebildet, nur weil du stundenlang vor der Glotze gesessen bist! Du dumme Gans!“
„Mutter!“ rief sie verärgert aus. Sie verabscheute es zutiefst, von Cécile wegen ihrer unzureichenden Bildung ausgelacht zu werden.
„Pssssst!“, schalt sie sie abermals.
Beide schwiegen sie wieder.
„Wo bringt er sie überhaupt hin?“, fragte Chloé plötzlich und fixierte sie eindringlich.
„Wieso sollte ich dir das sagen? Willst mir wohl Ärger machen?“
„Aber nein! Keine Angst, Cécile, du bist doch meine Mutter...“, flüsterte sie ihr leise zu. „... und einer Mutter macht man keinen Ärger. Also Mama, wo bringt er sie denn hin?“ Chloé senkte ihre Stimme wieder, da sie inzwischen ein ganz anderes Ziel zu verfolgen begann. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass sie Cécile wieder Mama nannte.
Cécile sah sie misstrauisch an.
„Und Mama , wo bringt sie unser Süßer denn hin, um sie Tag und Nacht zu vögeln? Komm‘ schon, verrat’s mir! Du weißt doch, ich sag’s nicht weiter, Mama . Du kennst mich doch! Marie hat echt ihr großes Los gezogen! Sie hat ‘ne Menge Glück! Wär‘ gern an ihrer Stelle. Nur für einen Typen die Beine breitzumachen ist doch viel besser, als für mehrere! Hast schon recht, Mama . Sie hat viel Geld eingebracht und das ist das Einzige, was zählt, find‘ ich! Und? Wo wird er sie in Zukunft vögeln, Mama ? Wo bringt er sie hin?“
Cécile fiel auf Chloés Trick herein, die inzwischen einen ganz anderen Plan verfolgte. „Du wirst es nicht glauben! Ins Hôtel de Crillon! Dort will er sie fürs Erste einchecken.“
„Im Nobelhotel von Paris?“ Chloé sah sie ungläubig an. Vor Kurzem erst hatte sie darüber einen Bericht im Fernsehen gesehen.
Cécile nickte. „Er hat’s zwar nicht direkt gesagt, aber ich soll genau dorthin morgen Maries Sachen hinbringen lassen. Ich soll einfach ein Taxi hinschicken, hat er gemeint... er hat gesagt, ich soll sie einfach auf Maries Namen dort beim Portier abgeben lassen. Dann wollte er wissen, wie die Kleine heißt . Keine Ahnun g hab‘ ich ihm gesagt. Da hat er kurz überlegt und gemeint, ich soll’s auf Mademoiselle Lunet dort abgeben lassen. Den Rest regelt er alleine, hat er gemeint.“
„Auf Lunet?“
Cécile nickte. „Ist ihm spontan so eingefallen.“
„Aber das ist doch nicht Maries Nachname.“
„Das ist doch egal! Sie sagt ja nicht, wie sie heißt. Und wenn sie’s niemandem sagen will, dann muss sie eben mit
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