Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
ein wenig Salat machen kann«) wieder dem Tisch zu.
»Ich sagte, dass Ihr köstliches Brot gewiss aus steinvermahlenem Mehl gebacken ist und einen hohen Anteil an Keimlingen enthält. In meinem Schlafzimmer daheim habe ich ein Bild von einem Weizenkorn (vergrößert, natürlich), auf dem man den Keimling erkennen kann. Wie Sie wissen, wird bei Weißbrot der Keimling mit seinen wunderbaren, gesundheitsspendenden Eigenschaften eliminiert – genauer gesagt, ausgezogen – und zu Hühnerfutter verarbeitet. Infolgedessen verweichlicht die menschliche Rasse immer mehr, während die Hühner von Generation zu Generation größer und stärker werden.«
»Am Ende werden dann«, meinte Linda, die mit offenem Mund zugehört hatte, während Tante Sadie in einer Wolke von Gelangweiltsein entschwebt war, »die Hühner zu Hons und die Hons zu Hühnern. Oh, ich würde so gern in einem netten kleinen Hon-Haus wohnen.«
»Die Arbeit dort würde dir keinen Spaß machen«, meinte Bob. »Ich habe mal eine Henne beim Eierlegen beobachtet, ihr Gesichtsausdruck war ganz furchtbar.«
»Das ist einfach so, wie wenn man aufs Klo geht«, erklärte Linda.
»Also, Linda«, fuhr Tante Sadie auf, »das ist völlig überflüssig. Kümmere dich um dein Essen, und rede nicht so viel.«
Bei aller Geistesabwesenheit durfte man doch nicht davon ausgehen, dass Tante Sadie von dem, was um sie herum vorging, überhaupt nichts mitbekam.
»Was haben Sie mir da eben erzählt, Captain Warbeck, etwas über Keime?«
»Oh, nicht Keime – über den Keimling …«
In diesem Augenblick bemerkte ich, dass Onkel Matthew und Tante Emily im Dunkel am anderen Ende des Tisches eines ihrer üblichen Wortgefechte austrugen und dass es dabei um mich ging. Immer wenn Tante Emily in Alconleigh war, kam es zu diesen Streitereien mit Onkel Matthew, aber es war trotzdem zu spüren, dass er sie sehr gern hatte. Er mochte Menschen, die ihm die Stirn boten, und wahrscheinlich sah er in ihr auch ein Spiegelbild von Tante Sadie, die er anbetete. Tante Emily war selbstbewusster als Tante Sadie, sie besaß mehr Charakter und weniger Schönheit, sie hatte nicht zahlreiche Schwangerschaften hinter sich, doch die beiden waren ganz unverkennbar Schwestern. Meine Mutter hingegen war in jeder Hinsicht völlig anders als sie, aber die Arme war ja auch, wie Linda gesagt hätte, von Sexualität besessen.
Zwischen Onkel Matthew und Tante Emily war jetzt eine Debatte entbrannt, die wir alle schon viele Male mit angehört hatten. Es ging um Frauenbildung.
Onkel Matthew: »Ich hoffe, die Schule«, er sprach das Wort Schule mit vernichtendem Hohn aus, »gibt der armen Fanny all das Gute, das du dir erhoffst. Bestimmt schnappt sie dort ein paar garstige Ausdrücke auf.«
Tante Emily, gelassen, aber in der Defensive: »Ja, sehr wahrscheinlich. Aber sie schnappt auch eine ordentliche Menge Bildung auf.«
Onkel Matthew: »Bildung! Ich war immer der Ansicht, dass ein gebildeter Mensch niemals von Schreibpapier spricht, und doch habe ich gehört, wie die arme Fanny bei Sadie um Schreibpapier bat. Was ist das für eine Bildung? Fanny redet von Spiegeln und Kaminsimsen, von Handtaschen und Parfüm, sie nimmt Zucker in den Kaffee, hat eine Quaste an ihrem Schirm, und wenn sie je das Glück haben sollte, sich einen Ehemann zu angeln, wird sie dessen Vater und dessen Mutter ohne Zweifel mit ›Vater‹ und ›Mutter‹ anreden. Ob die wunderschöne Bildung, die sie bekommt, diesem Unglücksraben als Ausgleich für die zahllosen Nadelstiche genügt? Stell dir vor, mit anzuhören, wie die eigene Frau von Schreibpapier spricht – entsetzlich!«
Tante Emily: »Viele Männer fänden es viel entsetzlicher, eine Frau zu haben, die noch nie etwas von Georg III. gehört hat. (Trotzdem, Fanny, Liebling, es heißt Briefpapier, nicht wahr – von Schreibpapier wollen wir nichts mehr hören, bitte.) Und an dieser Stelle sind wir gefragt, Matthew, der häusliche Einfluss ist bekanntlich ein äußerst wichtiger Teil der Erziehung.«
Onkel Matthew: »Na also!«
Tante Emily: »Ein äußerst wichtiger, aber keineswegs der wichtigste.«
Onkel Matthew: »Man braucht nicht so ein abscheuliches Mittelstandsinstitut zu besuchen, um zu erfahren, wer Georg III. gewesen ist. Aber nun gut, wer war er denn, Fanny?«
Oje, es gelang mir nie, in solchen Augenblicken zu glänzen. Meine Geistesgegenwart zerstob aus lauter Angst vor Onkel Matthew in alle vier Winde, und mit rotem Kopf antwortete ich: »Er war ein König. Er
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