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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Sadie, und sie sprachen eine halbe Ewigkeit miteinander. Das Telefon von Alconleigh stand damals in einem Glasschrank etwa in der Mitte des strahlend hell erleuchteten hinteren Korridors; einen Nebenanschluss gab es nicht, Lauschen war also ausgeschlossen. (In späteren Jahren gab es einen Nebenanschluss, aber das Telefon wurde in Onkel Matthews Geschäftszimmer aufgestellt, und nun hatte es mit aller Vertraulichkeit ein Ende.) Als Tante Sadie in den Salon zurückkehrte, sagte sie nur: »Emily kommt morgen mit dem Zug um drei Uhr fünf. Ich soll dir alles Liebe von ihr ausrichten, Fanny.«
    Am nächsten Tag gingen wir alle auf die Jagd. Die Radletts liebten Tiere, sie liebten Füchse, sie riskierten furchtbare Prügel, wenn sie die verstopften Zugänge zu ihren Bauten wieder öffneten, unter Tränen und Gelächter lasen sie die Geschichten von Reineke Fuchs, im Sommer standen sie um vier Uhr morgens auf, um die Fuchsjungen im fahlgrünen Licht des Waldes beim Spielen zu beobachten; und doch gab es für sie nichts Schöneres auf der Welt als die Jagd. Sie lag ihnen im Blut, genau wie mir auch, und nichts kam dagegen an, obwohl wir es für eine Art Erbsünde hielten. An diesem Tag vergaß ich für drei Stunden alles, außer meinen Körper und den meines Ponys; das Hetzen, das Kriechen, das Geplatsche, das mühevolle Bergauf und das glitschige Bergab, das Zerren und Ziehen, Erde und Himmel. Ich vergaß alles – kaum, dass ich meinen Namen hätte sagen können. Darin muss die Faszination bestehen, die die Jagd für die Menschen besitzt, und vor allem für einfältige Menschen; sie zwingt zu absoluter Konzentration, sowohl seelisch wie körperlich.
    Nach drei Stunden brachte mich Josh nach Hause. Ich durfte nie allzu lange mit draußen bleiben, das hätte mich zu sehr erschöpft, und mir wäre die ganze Nacht übel gewesen. Josh war zunächst auf Onkel Matthews zweitem Pferd unterwegs gewesen; gegen zwei Uhr hatten sie getauscht, nun machte er sich mit dem schäumenden, schweißnassen ersten Pferd auf den Heimweg und nahm mich mit. Ich tauchte aus meiner Trance auf und erkannte, dass der Tag, der mit strahlendem Sonnenschein begonnen hatte, jetzt kühl und düster geworden war. Es sah nach Regen aus.
    »Und wo jagt Ihre Ladyschaft dieses Jahr?«, fragte Josh, als wir aufbrachen und in gemächlichem Trab die Straße nach Merlinford entlangritten. Zehn Meilen führte unser Weg über diese Straße, die wie ein Gebirgskamm dem Wind und den Unbilden der Witterung ausgesetzt war, ungeschützter als jede andere, die ich je gesehen habe. Onkel Matthew hätte es nie erlaubt, wenn wir uns im Auto zum Sammelplatz bringen oder von dort hätten abholen lassen; er sah darin eine Unsitte, ein Zeichen von Verweichlichung.
    Ich wusste, dass Josh meine Mutter meinte. Er war schon bei meinem Großvater in Stellung gewesen, als meine Mutter und ihre Schwestern noch Mädchen waren, und er betete sie an.
    »Sie ist in Paris, Josh.«
    »In Paris – wozu?«
    »Ich nehme an, es gefällt ihr dort.«
    »Na was!«, brummte Josh zornig, und wir ritten schweigend eine halbe Meile. Der Regen hatte eingesetzt, ein feiner, kalter Regen, der die weite Aussicht auf beiden Seiten der Straße verhängte; wir trabten weiter, den Wind im Gesicht. Mein Rücken hielt nicht viel aus, und über eine längere Strecke in einem Damensattel zu traben war für mich eine Qual. Ich lenkte mein Pony an die Grasnarbe heran und fiel in leichten Galopp, aber ich wusste, wie sehr Josh das missbilligte, angeblich kamen die Pferde dann zu heiß nach Hause; wenn sie hingegen im Schritt gingen, begannen sie zu frieren. Es musste Trab sein, gemächlicher, zermürbender Trab, den ganzen langen Weg.
    »Meine Meinung ist«, nahm Josh das Gespräch wieder auf, »dass Ihre Ladyschaft jede Minute von ihrem Leben vertut, richtiggehend vertut, wo sie nicht auf’m Pferd sitzt.«
    »Sie ist eine großartige Reiterin, stimmt’s?« Ich hatte das alles schon viele Male von Josh gehört, aber ich konnte es nicht oft genug hören.
    »Hab nie mehr so jemanden gesehen wie sie«, sagte Josh und stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. »Hände wie Samt, aber stark wie Eisen, und ihr Sitz …! Schau dich nur an, wie du herumrutschst, hierhin und dorthin – das gibt anständige Rückenschmerzen heute Abend, das steht mal fest.«
    »Oh, Josh, dieser Trab! Und dabei bin ich so müde.«
    »Hab sie nie müde gesehen. Habe gesehen, wie sie nach einer Geländejagd über zehn Meilen die Pferde

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