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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Monate, in denen ich zur Schule ging, jedoch kaum etwas änderte, außer insofern, als die Anwesenheit eines Mannes im Haushalt einer Frau stets etwas Wohltuendes hat (die Vorhänge, die Tischdecken und Tante Emilys Kleider veränderten sich zu ihrem Vorteil ganz erheblich), aber in den Ferien verreiste er gern mit ihr, zu seinen Verwandten oder ins Ausland, und mich brachten sie währenddessen in Alconleigh unter. Tante Emily war anscheinend der Auffassung, wenn sie sich zwischen den Wünschen ihres Gatten und meinem Nervensystem entscheiden müsse, dann gebühre den Ersteren der Vorrang. Trotz ihrer vierzig Jahre waren sie, glaube ich, sehr ineinander verliebt, und dass ich immer um sie war, muss außerordentlich lästig gewesen sein, aber es sagt mehr als alles andere über ihren Charakter, dass sie mich das nie, nicht einen Augenblick, spüren ließen. Von Anfang an war Davey wie ein perfekter Stiefvater zu mir, liebevoll, voller Verständnis, nie irgendwie abweisend. Er akzeptierte, dass ich zu Tante Emily gehörte, und stellte meine unvermeidliche Anwesenheit in seinem Hause nie infrage.
    Während der Weihnachtsferien wurde Louisa offiziell »eingeführt« und nahm nun an Jagdbällen teil, für uns ein Anlass zu heftigen Neidgefühlen, auch wenn Linda spöttisch meinte, Louisa scheine nicht eben viele Verehrer zu haben. Wir sollten erst in zwei Jahren in die Gesellschaft eingeführt werden – es kam uns wie eine Ewigkeit vor, besonders Linda, die aus lauter Sehnsucht nach Liebe wie erstarrt war und weder Arbeit noch Unterricht hatte, um sich abzulenken. Sie interessierte sich tatsächlich für nichts anderes mehr, außer für die Jagd – selbst die Tiere schienen jeden Reiz für sie verloren zu haben. An Tagen, wenn keine Jagd war, saßen wir in unseren zu klein gewordenen Tweedkostümen, bei denen die Haken und Ösen an der Taille immerfort aufsprangen, untätig herum und legten endlose Patiencen; oder wir vertrieben uns im Wäscheschrank der Hons die Zeit mit »Messen«. Wir hatten ein Bandmaß und wetteiferten um die Größe unserer Augen, um die Schlankheit von Handgelenken, Fußknöcheln, Taille und Hals, um die Länge der Beine und Finger und so weiter. Linda gewann immer. Wenn wir mit dem »Messen« fertig waren, sprachen wir über die Romantik der Liebe. Es waren ganz unschuldige Unterhaltungen, denn für uns bedeuteten die Wörter Liebe und Ehe damals das Gleiche, wir wussten, dass beides ewig währte, bis ins Grab und weit darüber hinaus. Unser leidenschaftliches Interesse an der Sünde war versiegt; aus Eton zurückgekehrt, hatte uns Bob alles über Oscar Wilde sagen können, und jetzt, da sein Verbrechen kein Geheimnis mehr war, erschien es uns farblos, unromantisch und unbegreiflich.
    Selbstverständlich waren wir beide verliebt, allerdings in Personen, denen wir nie begegnet waren; Linda in den Prinzen von Wales und ich in einen dicken Farmer mittleren Alters mit rotem Gesicht, den ich manchmal durch Shenley reiten sah. Diese Lieben waren stark und verursachten uns eine köstliche Pein; sie nahmen all unsere Gedanken in Anspruch, aber ich glaube, uns war doch halbwegs bewusst, dass mit der Zeit wirkliche Menschen an die Stelle dieser Geliebten treten würden. Sie hielten sozusagen das Haus warm für den, der am Ende dort einziehen würde. Nimmermehr hätten wir es für möglich gehalten, dass man sich nach dem Heiraten noch einmal verlieben könnte. Wir trachteten nach wirklicher Liebe, und die konnte es nur einmal im Leben geben; diese Liebe hatte nichts Eiligeres zu tun, als sich den Segen der Kirche zu holen, und geriet nachher nie mehr ins Wanken.
    Ehemänner, das wussten wir, waren nicht immer treu, darauf mussten wir uns gefasst machen, wir mussten verstehen und verzeihen. Der Satz »Ich war dir treu, Cynara, auf meine Weise« schien dies sehr schön zu erklären. Aber Frauen – das war etwas anderes; nur die Verworfensten unseres Geschlechts konnten mehr als einmal lieben oder sich hingeben. Ich weiß nicht recht, wie ich diese Anschauungen mit der Verehrung in Einklang brachte, die ich noch immer für meine ehebrecherische Mutter, dieses Flittchen, empfand. Vermutlich ordnete ich sie einer ganz anderen Kategorie zu, zu der auch jene Frau gehörte, deren Schönheit einst eine ganze Flotte in Bewegung gesetzt hatte. Einigen großen historischen Gestalten musste man ein solches Ausnahmedasein zugestehen, aber Linda und ich, wir waren in Fragen der Liebe äußerst prinzipienfest, und auf

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