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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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erleben.«
    Blitz und Donner hatten wir erwartet, aber daraus wurde nichts, denn von Anfang an war offenkundig, dass Onkel Matthew den Captain in sein Herz geschlossen hatte. Da er die Meinung, die er sich einmal von einem Menschen gebildet hatte, niemals änderte und da die wenigen, die sich seiner Gunst erfreuten, unerhörte Verbrechen begehen konnten, ohne in seinen Augen etwas Böses zu tun, verstand sich Captain Warbeck von Stund an außerordentlich gut mit Onkel Matthew.
    »Er ist wirklich ein unheimlich schlauer Bursche, literarisch, verstehst du? Du würdest es nicht glauben, was der tut, schreibt Bücher und kritisiert Bilder und spielt mordsmäßig Klavier, obwohl die Stücke nichts Besonderes sind. Aber man kann sich vorstellen, wie es klingt, wenn er ein paar Melodien aus dem Country Girl üben würde. Dem ist nichts zu schwierig, das sieht man.«
    Beim Dinner waren Captain Warbeck, der neben Tante Sadie saß, und Tante Emily, die neben Onkel Matthew saß, nicht nur durch uns vier Kinder voneinander getrennt (auch Bob durfte mit unten essen, denn nach den Ferien ging er nach Eton), sondern außerdem auch durch große Ansammlungen tiefster Finsternis. Der Esstisch wurde von drei Glühbirnen beleuchtet, die in einem Bündel von der Decke herabhingen und von einem Schirm aus dunkelroter japanischer Seide mit goldenen Fransen umhangen waren. Ein einziger Fleck mitten auf dem Tisch war hell erleuchtet, während die Esser selbst samt ihren Tellern außerhalb des Lichtkreises in totaler Dunkelheit saßen. Selbstverständlich hatten wir alle unsere Blicke auf die schattenhafte Gestalt des Verlobten geheftet und fanden an seinem Benehmen so manches, was uns interessierte. Zuerst unterhielt er sich mit Tante Sadie über Gärten, Pflanzen und Blütensträucher, ein bis dahin in Alconleigh völlig unbekanntes Gesprächsthema. Um den Garten kümmerte sich der Gärtner, und damit hatte es sich. Er lag eine gute halbe Meile vom Haus entfernt, und niemand begab sich in seine Nähe, außer bei einem gelegentlichen Spaziergang im Sommer. Es kam uns merkwürdig vor, dass sich ein Mann, der in London lebte, mit den Namen, Lebensgewohnheiten und medizinischen Eigenschaften so vieler Pflanzen auskannte. Tante Sadie, die höflich mitzuhalten versuchte, konnte ihre Unwissenheit doch nicht ganz verbergen, und bemühte sich deshalb, sie durch eine gewisse Zerstreutheit zu vernebeln.
    »Und was für einen Boden haben Sie hier?«, fragte Captain Warbeck.
    Mit glücklichem Lächeln stieg Tante Sadie von ihrer Wolke herab und erklärte triumphierend, denn hier wusste sie nun wirklich Bescheid: »Tonerde.«
    »Ach ja?«, meinte der Captain.
    Er zog eine juwelenbesetzte kleine Dose hervor, nahm eine Pille von enormer Größe heraus, schluckte sie zu unserer Überraschung ohne das kleinste bisschen Flüssigkeit und sagte dann wie zu sich selbst, aber doch deutlich hörbar: »Dann dürfte das Wasser hier irrsinnig stopfend sein.«
    Als Logan, der Butler, ihm Shepherds Pie anbot (das Essen in Alconleigh war immer gut und reichlich, aber es war einfache Hausmannskost), sagte er – wiederum so, dass man nicht recht wusste, ob man es nun mitbekommen sollte oder nicht: »Nein, danke, kein ausgekochtes Fleisch. Ich bin ein hinfälliger Invalide und muss mich vorsehen, sonst muss ich zahlen.«
    Tante Sadie, die Gespräche über Gesundheitsprobleme so sehr verabscheute, dass viele Leute sie für eine Anhängerin von Christian Science hielten, was sie auch durchaus hätte sein können, wenn sie Gespräche über religiöse Probleme nicht noch mehr verabscheut hätte, nahm absolut keine Notiz von dieser Bemerkung, aber Bob fragte interessiert, was denn an ausgekochtem Fleisch so schlimm sei.
    »Oh, es ist eine ungeheure Belastung für die Magensäfte, genauso gut könntest du Leder essen«, entgegnete Captain Warbeck leise, während er sich den ganzen Salat auf seinen Teller häufte. Dann sagte er, wiederum mit dieser zurückhaltenden Stimme: »Roher Kopfsalat, gut gegen Skorbut«, und murmelte, während er eine andere Dose öffnete und daraus zwei noch größere Pillen nahm: »Protein.«
    »Ihr Brot schmeckt wirklich köstlich«, richtete er sich wieder an Tante Sadie, so als wollte er die unhöfliche Zurückweisung des ausgekochten Fleisches wiedergutmachen. »Ich bin sicher, es enthält noch den Keimling.«
    »Wie bitte?«, fragte Tante Sadie und wendete sich von einem kurzen Geflüster mit Logan (»Fragen Sie Mrs. Crabbe, ob sie uns rasch noch

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