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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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die Paradiesvögel. Alle waren sehr nett und sehr freundlich zu Louisa.
    Beim Dinner saß sie zwischen zwei hübschen jungen Männern und eröffnete mit dem üblichen Gambit: »Wo jagen Sie?«
    »Wir jagen gar nicht«, sagten sie.
    »Ach, und warum tragen Sie dann rote Röcke?«
    »Weil sie uns gefallen.«
    Wir alle fanden das äußerst komisch, waren aber einhellig der Meinung, dass Onkel Matthew nichts davon erfahren dürfe, sonst würde er die Gäste von Lord Merlin womöglich noch zum jetzigen Zeitpunkt wieder ausladen.
    Nach dem Dinner hatten die Mädchen Louisa mit nach oben genommen. Zunächst war sie ziemlich verwirrt, als sie in den Gästezimmern gedruckte Hinweisschilder sah:

    Wegen einer bislang nicht identifizierten Leiche in der Zisterne werden die Gäste ersucht, das Badewasser nicht zu trinken.

    Die Gäste werden ersucht, in der Zeit zwischen Mitternacht und sechs Uhr früh weder Feuerwaffen noch Waldhörner zu betätigen und jegliches Schreien sowie Hupen zu unterlassen.
    Und an einer Schlafzimmertür:

    Hier wird gemangelt.
    Aber bald klärte man sie auf, es handele sich nur um einen Scherz.
    Die Mädchen hatten ihr Puder und Lippenstift angeboten, aber Louisa hatte sich nicht getraut, aus Angst, Tante Sadie könnte etwas bemerken. Sie erzählte, die anderen hätten damit einfach hinreißend ausgesehen.

    Als der große Tag des Balls von Alconleigh näher rückte, zeigte sich, dass Tante Sadie aus irgendeinem Grund sehr bekümmert war. Alles schien glatt zu gehen, der Champagner war eingetroffen, die Kapelle, Clifford Essex’ Streichtrio, war bestellt, und die wenigen Ruhestunden, die den Musikern bleiben würden, sollten sie im Haus von Mrs. Craven verbringen. In Verbindung mit dem Hofgut, mit Craven und drei Frauen aus dem Dorf, die aushalfen, plante Mrs. Crabbe das beste Abendessen aller Zeiten. Onkel Matthew hatte sich überreden lassen, zwanzig Ölöfen zu besorgen, sodass man es mit der anheimelnden Wärme von Merlinford wohl würde aufnehmen können, und der Gärtner war dabei, jede Topfpflanze, die er auftreiben konnte, ins Haus zu schaffen. (»Demnächst malst du mir noch die Weißen Leghorns an«, meinte Onkel Matthew spöttisch.)
    Aber obwohl die Vorbereitungen allem Anschein nach reibungslos vonstatten gingen, machte Tante Sadie ein besorgtes Gesicht, denn sie hatte zwar viele junge Mädchen mit ihren Mamas eingeladen, aber keinen einzigen jungen Mann. Es war nämlich so, dass diejenigen ihrer Altersgenossinnen, die Töchter hatten, froh waren, mit ihnen zu kommen, aber bei den Söhnen verhielt es sich anders. Tanzpartner, die zu dieser Jahreszeit mit Einladungen überhäuft wurden, hatten Besseres zu tun, als den langen Weg nach Gloucestershire zurückzulegen und dort ein unerprobtes Haus aufzusuchen, wo man durchaus nicht sicher sein konnte, die Wärme, den Luxus und die guten Weine vorzufinden, auf die man Anspruch zu haben glaubte, wo, soweit bekannt, keine bezaubernde Dame lockte, wo kein Ausritt in Aussicht gestellt und keine Jagd angesagt war und nicht einmal ein Fasanenschießen.
    Onkel Matthew hatte nämlich viel zu viel Respekt vor seinen Pferden und seinen Fasanen, als dass er irgendwelche unbekannten grünen Jungen auf sie losgelassen hätte.
    Eine furchtbare Situation also. Aus verschiedenen Gegenden Englands waren zehn Angehörige des weiblichen Geschlechts, vier Mütter und sechs Mädchen, auf dem Anmarsch, und der Haushalt, dem sie zustrebten, bestand aus weiteren vier Frauen (nicht dass Linda und ich gezählt hätten, aber immerhin, wir trugen Röcke und keine Hosen und waren wirklich zu alt, als dass man uns die ganze Zeit über ins Schulzimmer hätte sperren können) und nur zwei Männern, von denen einer noch nicht einmal im frackfähigen Alter war.
    Das Telefon lief heiß, und Telegramme flogen in alle Himmelsrichtungen. Tante Sadie ließ all ihren Stolz fahren, tat nicht mehr so, als sei alles in Ordnung, als würde jeder nur um seiner selbst willen eingeladen, und schickte eine Reihe verzweifelter Appelle hinaus. Mr. Wills, der Pfarrer, erklärte sich bereit, Mrs. Wills zu Hause zu lassen und en garçon in Alconleigh zu dinieren. Zum ersten Mal seit vierzig Jahren würden die beiden Eheleute getrennt sein. Mrs. Aster, die Frau des Verwalters, brachte das gleiche Opfer, und Master Aster, der Sohn des Verwalters, noch keine siebzehn Jahre alt, wurde in aller Eile nach Oxford geschickt, wo er sich einen Frackanzug von der Stange beschaffen sollte.
    Davey Warbeck

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