Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Kerl, sie hat ihn vermutlich gern, aber ich muss doch sagen, wenn er ein Hund wäre, würde man ihn wohl einschläfern lassen.« Lord Fort William war neununddreißig, wirkte allerdings erheblich älter. Sein Haar scheine ihm vom Kopf zu rutschen, wie ein Daunenkissen nachts vom Bett, erklärte Linda, und äußerlich mache er einen etwas vernachlässigten Eindruck. Louisa dagegen liebte ihn und war zum ersten Mal in ihrem Leben glücklich. Stets hatte sie vor Onkel Matthew noch mehr Angst gehabt als die anderen, und das aus gutem Grund; er hielt sie für dumm und war nie freundlich zu ihr gewesen. Die Aussicht, Alconleigh für immer zu verlassen, versetzte sie in den siebten Himmel.
Ich glaube übrigens – alter Hund hin, Daunenkissen her –, in Wirklichkeit war Linda sehr eifersüchtig. Sie machte jetzt ganz allein lange Ausritte und erging sich in immer versponneneren Tagträumen: Die Sehnsucht nach Liebe war bei ihr zur Obsession geworden. Zwei lange Jahre musste sie noch durchstehen, bevor sie in die Welt hinaustreten konnte, aber wie sehr zogen sich schon die Tage in die Länge! Linda zappelte im Salon herum und legte endlose Patiencen (oder begann sie, ohne sie zu beenden) – manchmal für sich allein, manchmal zusammen mit Jassy, die sie mit ihrer Rastlosigkeit angesteckt hatte.
»Wie spät ist es, Liebling?«
»Rate.«
»Viertel vor sechs?«
»Viel besser!«
»Sechs!«
»So gut nun auch wieder nicht.«
»Fünf vor?«
»Ja.«
»Wenn diese aufgeht, werde ich den Mann heiraten, den ich liebe. Wenn die aufgeht, werde ich mit achtzehn heiraten.«
Wenn diese aufgeht – mischen; wenn die aufgeht – geben. Eine Königin ganz unten im Blatt, kann nicht heraus, noch mal von vorn.
Louisa heiratete im Frühling. Ihr Hochzeitskleid aus gerüschtem Tüll, besetzt mit Orangenblütenzweigen, reichte, gemäß der abscheulichen Mode der damaligen Zeit, bis zum Knie und endete hinten in einer Schleppe. Jassy regte sich schrecklich darüber auf.
»So etwas Unpraktisches!«
»Wieso denn, Jassy?«
»Ich meine, wenn man darin beerdigt wird. Frauen werden doch immer in ihren Hochzeitskleidern beerdigt, oder nicht? Denk doch, wie deine armen alten Beine da herausschauen, wenn du tot bist.«
»Ach, Jassy, lass doch das Unken. Ich werde sie in meine Schleppe einwickeln.«
»Nicht sehr angenehm für die Leichenbestatter.«
Louisa wollte keine Brautjungfern. Ich vermute, sie fand es angenehm, dass sich die Blicke der Leute einmal in ihrem Leben mehr auf sie als auf Linda richteten.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie blöd du von hinten aussiehst ohne welche«, meinte Linda. »Aber mach nur, wie du willst. Wir legen bestimmt keinen Wert darauf, uns in blauem Chiffon lächerlich zu machen. Ich hatte nur daran gedacht, was für dich das Beste wäre.«
An Louisas Geburtstag schenkte ihr John Fort William, der ein leidenschaftlicher Antiquitätensammler war, eine Nachbildung von König Alfreds Juwel. Linda, deren Unausstehlichkeit zu dieser Zeit grenzenlos war, meinte, es sehe aus wie Hühnerdreck. »Gleiche Form, gleiche Größe, gleiche Farbe. Unter einem Juwel stelle ich mir etwas anderes vor.«
»Ich finde es ganz allerliebst«, sagte Tante Sadie, aber etwas von Lindas Worten blieb doch haften.
Tante Sadie hatte damals einen Kanarienvogel, der den ganzen Tag sang und es in Reinheit und Lautstärke seines Getrillers sogar mit der Galli-Curci aufnahm. Immer wenn ich einen Kanarienvogel so unmäßig singen höre, fällt mir diese fröhliche Zeit in Alconleigh ein, der nicht endende Strom der Hochzeitsgeschenke, wie wir sie unter Schreien der Bewunderung oder des Schreckens auspacken und im Ballsaal aufbauen, das Hin und Her und Onkel Matthews gute Laune, die, so unglaublich es war, Tag für Tag anhielt, wie manchmal das schöne Wetter.
Louisa sollte nun bald zwei Häuser bewohnen, eines in London, am Connaught Square, und eines in Schottland. Für Kleider würden ihr dreihundert Pfund im Jahr zur Verfügung stehen, sie würde ein Brillantendiadem, eine Perlenkette, einen eigenen Wagen und einen Pelzmantel besitzen. Sofern sie es mit John Fort William aushielt, konnte man sie durchaus beneiden. Allerdings war er furchtbar langweilig.
Der Hochzeitstag war schön und mild, und als wir am Morgen nachsahen, wie Mrs. Wills und Mrs.Josh mit dem Schmücken vorankamen, fanden wir die helle kleine Kirche prall gefüllt mit Frühjahrsblumen. Später, als die vertrauten Linien des Innenraums unter einer ganz ungewohnten
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