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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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erhielt den Befehl, Tante Emily allein zu lassen und herüberzukommen. Er sagte zu, aber nur widerwillig und erst, als man ihm das ganze Ausmaß der Krise enthüllt hatte. Ältere Vettern und Onkel, die jahrelang nur ein Schattendasein in der Erinnerung geführt hatten, wurden aus der Vergessenheit heraufbeschworen und bedrängt zu erscheinen. Sie weigerten sich fast alle, einige in ziemlich barschem Ton – fast alle waren sie von Onkel Matthew irgendwann einmal derart schwer beleidigt worden, dass Vergebung unmöglich war.
    Schließlich erkannte Onkel Matthew, dass er nicht länger untätig zusehen konnte. Der Ball als solcher war ihm völlig gleichgültig, er fühlte sich absolut nicht verantwortlich für das Vergnügen seiner Gäste, in denen er nur eine Horde heranstürmender Barbaren sah, die man nicht aufhalten konnte, und nicht etwa einen Kreis netter Freunde, die man zu unterhaltsamem Austausch und fröhlichem Feiern zusammengerufen hatte. Aber Tante Sadies Seelenfrieden war ihm ganz und gar nicht gleichgültig, er konnte es nicht ertragen, sie so bekümmert zu sehen, und beschloss deshalb, etwas zu unternehmen. Er fuhr hinauf nach London und nahm an der letzten Sitzung des Oberhauses vor den Parlamentsferien teil. Seine Reise war ein voller Erfolg.
    »Stromboli, Paddington, Fort Williams und Curtley haben zugesagt«, berichtete er Tante Sadie mit der Miene eines Zauberkünstlers, der vier wunderbar fette Kaninchen aus einem winzigen Weinglas hervorzieht.
    »Aber ich musste ihnen einen Schuss versprechen – Bob, geh zu Craven und sag ihm, dass ich ihn morgen früh sprechen will.«
    Dank solcher komplizierten Maßregeln waren die Verhältnisse an der Dinnertafel nun ausgeglichen, und Tante Sadie war unendlich erleichtert, auch wenn sie über Onkel Matthews Kaninchen insgeheim immer wieder lächeln musste. Lord Stromboli, Lord Fort Williams und der Herzog von Paddington waren früher ihre eigenen Tanzpartner gewesen, und Sir Archibald Curtley, Bibliothekar des Oberhauses und gern gesehener Gast in eleganten intellektuellen Kreisen, war über siebzig und litt stark an Arthritis. Beim Tanz, nach dem Dinner, würde es natürlich schon wieder anders sein. Mrs. Wills würde wieder zu Mr. Wills stoßen und Mrs. Aster zu Captain Aster, auf Onkel Matthew und Bob konnte man als Tanzpartner kaum zählen, und auch die Riege aus dem Oberhaus würde sich wahrscheinlich nicht auf die Tanzfläche, sondern an den Bridgetisch verfügen.
    »Ich fürchte, die Mädchen müssen selbst sehen, wie sie zurechtkommen«, meinte Tante Sadie träumerisch.
    In einer Hinsicht jedoch war es so am besten. Diese alten Knaben hatte Onkel Matthew selbst ausgewählt, es waren Freunde von ihm, und er würde höflich zu ihnen sein; jedenfalls wussten sie von vornherein, mit wem sie es zu tun hatten. Tante Sadie war sich darüber im Klaren, wie überaus riskant es gewesen wäre, das Haus mit fremden jungen Männern zu füllen. Onkel Matthew hasste Fremde, er hasste junge Leute, und er hasste die Vorstellung, dass darunter auch solche sein könnten, die womöglich um die Hand einer seiner Töchter anhalten würden; Tante Sadie sah weitere Klippen voraus, aber fürs Erste waren sie umschifft.

    Dies also ist ein Ball. Dies ist das Leben, auf das wir all die Jahre gewartet haben, da wären wir, und da wäre er, der Ball, hier und jetzt, in vollem Gange, und wir mitten darin. Wie merkwürdig man sich dabei fühlt, diese Unwirklichkeit, wie im Traum. Aber alles ist so ganz anders, als wir es uns vorgestellt hatten; kein schöner Traum, das muss man leider zugeben. Die Männer so klein und hässlich, die Frauen so angestaubt, die Kleider so knittrig und die Gesichter so rot, die Ölöfen so muffig und nicht einmal besonders warm, aber vor allem die Männer, entweder so alt oder so hässlich. Und wenn sie einen zum Tanz auffordern (gedrängt, wie man vermuten muss, von dem freundlichen Davey, der unentwegt bemüht ist, dass wir uns bei unserer ersten Party auch amüsieren), dann ist es nicht, als würde man auf einer Wolke des Glücks davonschweben, von einem männlichen Arm an einen männlichen Busen gedrückt, sondern – stapf, stapf, stolper, stolper. Wie Meister Adebar balancieren sie auf einem Bein, und wie Meister Holzfäller treten sie einem mit dem anderen auf den Zeh. Und was die geistreiche Konversation angeht, so ist es schon großartig, wenn ein Gespräch, und sei es noch so banal und sprunghaft, einen ganzen Tanz und die Pause danach

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