Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Institute, zusammentreffen würde und dass Perkins, der Chauffeur, nicht bemerken würde, dass wir sechzig statt zehn Meilen gefahren waren.
Als wir zu Bett gingen, sagte Linda zu Tante Sadie mit einer Stimme, die harmlos klingen sollte, in meinen Ohren aber vor Schuldbewusstsein zitterte: »Es war Lavender Davis, die eben angerufen hat. Sie möchte, dass Fanny und ich am Donnerstag zum Essen kommen.«
»Oh, Schatz«, meinte Tante Sadie, »aber du kannst meinen Wagen nicht haben, leider.«
Linda wurde bleich und lehnte sich gegen die Wand. »Ach, bitte, Mami, bitte, lass mich fahren, ich möchte so schrecklich gern.«
»Zu den Davis?«, wunderte sich Tante Sadie. »Aber Liebling, letztes Mal hast du gesagt, nie im Leben würdest du mehr zu ihnen gehen – gewaltige Kabeljaufilets, hast du gesagt, weißt du nicht mehr? Na ja, sie laden dich bestimmt ein andermal ein.«
»Ach, Mami, du verstehst nicht. Es geht doch darum, dass ein Mann zu ihnen kommt, der einen jungen Dachs großgezogen hat, und ich möchte ihn so gern sehen.«
Jeder wusste, dass es Lindas größter Wunsch war, einen jungen Dachs aufzuziehen.
»Ich verstehe. Aber könnt ihr denn nicht hinüberreiten?«
»Koller und Grind«, seufzte Linda. Ihre großen blauen Augen füllten sich mit Tränen.
»Was hast du gesagt, Liebling?«
»In ihren Ställen – Koller und Grind. Du willst doch nicht, dass ich Flora dem aussetze.«
»Bist du dir sicher? Ihre Pferde sehen immer so großartig aus.«
»Frag Josh.«
»Aha, ich verstehe. Vielleicht leiht mir Pa seinen Morris, und wenn nicht, kann mich Perkins vielleicht im Daimler bringen. Da ist eine Versammlung, und ich muss unbedingt hin.«
»Ach, du bist so lieb, so lieb bist du. Bitte, versuch es. Ich freue mich so auf den Dachs.«
»Wenn du zur Saison in London bist, wirst du keine Zeit mehr für Dachse haben. Gute Nacht jetzt, ihr Schätze.«
»Irgendwie müssen wir uns Puder beschaffen.«
»Und Rouge.«
Derartige Dinge hatte uns Onkel Matthew streng verboten, der das weibliche Antlitz gern im Naturzustand sah und des Öfteren verkündete, Schminke sei für Huren da, aber nicht für seine Töchter.
»Ich habe mal gelesen, dass man Geraniensaft als Rouge verwenden kann.«
»Geranien gibt es in dieser Jahreszeit nicht, Dummerchen.«
»Die Lider können wir uns aus Jassys Farbkasten blau färben.«
»Und mit Lockenwicklern schlafen.«
»Ich besorge die Verbenenseife aus Mamis Badezimmer. Wenn wir sie in der Wanne auflösen und uns ein paar Stunden hineinlegen, werden wir köstlich duften.«
»Ich dachte, du kannst Lavender Davis nicht ausstehen.«
»Halt den Mund, Jassy.«
»Als du das letzte Mal hinfuhrst, hast du gesagt, sie sei ein furchtbarer Anti-Hon, und am liebsten würdest du ihr mit dem Hon-Schläger eins in ihr dummes Gesicht geben.«
»Das habe ich nie gesagt. Du lügst.«
»Warum hast du denn wegen Lavender Davis das Londoner Kleid angezogen?«
»Jetzt verschwinde aber, Matt!«
»Warum fahrt ihr denn jetzt schon los, ihr kommt viel zu früh dort an.«
»Wir werden den Dachs vor dem Luncheon sehen.«
»Wie rot du im Gesicht bist, Linda. Richtig komisch siehst du aus.«
»Wenn du nicht still bist und verschwindest, Jassy, werfe ich deinen Molch wieder in den Teich, das schwöre ich dir!«
Aber diese Nachstellungen dauerten fort, bis wir im Wagen saßen und den Garagenhof verlassen hatten.
»Bringt doch Lavender nachher mit, zu einem netten, gemütlichen Besuch!«, rief Jassy uns noch nach.
»Nicht sehr honorig von ihnen«, sagte Linda. »Meinst du, sie ahnen etwas?«
Wir ließen den Wagen auf dem Clarendon Yard stehen, und da wir sehr früh dran waren – eine halbe Stunde hatten wir für zwei Reifenpannen eingeplant –, suchten wir die Damentoilette bei Elliston & Cavell’s auf und beäugten uns mit einer gewissen Unsicherheit in den Spiegeln dort. Auf unseren Wangen prangten rote Flecken, die Lippen hatten die gleiche Farbe, allerdings nur an den Rändern, weiter innen war sie schon verschwunden, und unsere Augenlider waren blau – alles aus Jassys Farbkasten. Unsere Nasen waren weiß. Nanny hatte noch etwas von dem Puder hervorgekramt, mit dem sie vor Jahren Robins Hintern eingepudert hatte. Kurz, wir sahen aus wie zwei Holländerpüppchen.
»Wir dürfen uns nicht gehen lassen«, meinte Linda unsicher.
»Ach, Liebling«, seufzte ich, »lassen wir es eben auf uns zukommen.«
Wir äugten und äugten und hofften, durch irgendeine Magie dieses sonderbare Gefühl
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