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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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kommen können; sie hätte ihn jedoch nicht zu heiraten brauchen. Das wurde nur durch das Verhalten von Onkel Matthew unumgänglich. Lord Merlin, der Einzige, der Linda vielleicht die Augen darüber hätte öffnen können, dass Tony nicht ganz so war, wie sie ihn sah, reiste unglücklicherweise in der Woche nach dem Ball nach Rom und blieb für ein Jahr im Ausland.
    Tony kehrte von Merlinford nach Oxford zurück, und Linda saß herum und wartete, wartete, wartete auf das Klingeln des Telefons. Noch einmal Patiencen. Wenn diese hier aufgeht, denkt er jetzt gerade an mich – wenn diese aufgeht, ruft er mich morgen an – wenn diese aufgeht, wird er am Jagdtreff sein. Aber Tony jagte bei Bicester und tauchte nie in unserer Gegend auf. Drei Wochen vergingen, und Linda war schon ganz verzweifelt. Eines Abends, nach dem Dinner, klingelte das Telefon; dank eines glücklichen Zufalls hatte sich Onkel Matthew zu den Ställen begeben, um sich mit Josh um ein Pferd zu kümmern, das an einer Kolik erkrankt war; im Geschäftszimmer war niemand, und Linda nahm selbst den Hörer ab. Es war Tony. Vor lauter Herzklopfen brachte sie kaum ein Wort hervor.
    »Hallo, ist dort Linda? Hier spricht Tony Kroesig. Kommen Sie nächsten Donnerstag zum Lunch?«
    »Oh, das werden meine Eltern niemals erlauben.«
    »Ach, Quatsch«, meinte er sehr ungeduldig, »es kommen noch ein paar andere Mädchen von London herüber – bringen Sie Ihre Cousine mit, wenn Sie wollen.«
    »Also gut, es wird bestimmt sehr nett.«
    »Bis dann – so gegen eins – 7 King Edward Street, ich nehme an, Sie kennen die Räume. Altringham hat seinerzeit hier gewohnt.«
    Als Linda vom Telefon zurückkehrte, zitterte sie am ganzen Leib und flüsterte mir zu, ich solle rasch in den Schrank der Hons kommen. Verabredungen mit jungen Männern, gleichgültig, zu welcher Tageszeit, waren uns ohne Begleitung strikt verboten, und andere Mädchen zählten nicht als Begleitung. Wir wussten auch, obwohl ein derart unwahrscheinlicher Fall in Alconleigh noch nie auch nur im Entferntesten in Erwägung gezogen worden war, dass wir – gleichgültig, von wem begleitet – nie und nimmer die Erlaubnis bekommen würden, bei einem jungen Mann in dessen Wohnung ein Luncheon einzunehmen, es sei denn, Tante Sadie selbst käme als Anstandsdame mit. Die Vorschriften hinsichtlich der Begleitung junger Mädchen in Alconleigh waren mittelalterlich; nicht im Geringsten unterschieden sie sich von denen, die für Onkel Matthews Schwester und in ihrer Jugend für Tante Sadie gegolten hatten. Die eherne Regel lautete, dass man einen jungen Mann nie, unter keinen Umständen, allein sehen durfte, solange man nicht mit ihm verlobt war. Die einzigen Menschen, die dieser Regel Geltung verschaffen konnten, waren die eigene Mutter oder die Tanten, und deshalb war es nicht erlaubt, sich aus dem Blickfeld ihrer stets wachsamen Augen zu entfernen. Der Einwand, den Linda häufig vorbrachte, es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass ein junger Mann um die Hand eines Mädchens anhalten werde, das er kaum kenne, wurde als Unsinn vom Tisch gewischt. Hatte denn Onkel Matthew etwa nicht an dem Tag um die Hand Tante Sadies angehalten, an dem er sie zum ersten Mal gesehen hatte, vor dem Käfig mit der zweiköpfigen Nachtigall auf einer Ausstellung in London? »Umso mehr Respekt bringen sie dir entgegen.« Nie schien es den Radletts in den Sinn zu kommen, dass modernen jungen Männern am Respekt nicht sonderlich viel liegt und dass sie bei ihren Frauen nach ganz anderen Eigenschaften suchen. Dank des aufklärerischen Einflusses von Davey war Tante Emily in dieser Frage sehr viel verständiger, aber wenn ich bei den Radletts war, musste ich mich natürlich an dieselben Vorschriften halten.
    Wir saßen im Schrank der Hons und redeten und redeten. Es stand für uns außer Frage, dass wir hinfahren mussten, Linda wäre sonst gestorben, nie wäre sie darüber hinweggekommen. Aber wie sollten wir entweichen? Nur eine Möglichkeit fiel uns ein, und die war äußerst riskant. Fünf Meilen entfernt wohnte ein sehr einfältiges Mädchen namens Lavender Davis bei ihren sehr einfältigen Eltern, und alle sieben Pfingsten wurde Linda, die sich hierüber jedes Mal lautstark beklagte, zum Luncheon zu ihnen geschickt. Sie fuhr dann selbst in Tante Sadies kleinem Auto hinüber. Wir mussten so tun, als wollten wir dorthin, und konnten nur hoffen, dass Tante Sadie während der nächsten Monate nicht mit Mrs. Davis, dieser Säule des Women’s

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