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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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loszuwerden. Dann hantierten wir noch ein wenig mit angefeuchteten Taschentüchern, um die Farbe in unseren Gesichtern etwas abzuschwächen. Schließlich kehrten wir auf die Straße zurück und betrachteten uns nun in jeder Schaufensterscheibe, an der wir vorüberkamen. (Mir ist oft aufgefallen, dass Frauen, die in jeden Spiegel sehen und ständig verstohlene Blicke in ihren Taschenspiegel werfen, dies eigentlich fast nie aus Eitelkeit tun, wie man immer annimmt, sondern viel häufiger, weil sie das Gefühl haben, daß irgendetwas nicht stimmt.)
    Nun, da wir unser Ziel tatsächlich erreicht hatten, überfiel uns eine schreckliche Nervosität, wir kamen uns nicht nur verrucht und schuldbeladen vor, wir waren auch ganz verängstigt vor lauter Befangenheit. Ich glaube, am liebsten wären wir wieder in den Wagen gestiegen und nach Hause gefahren.
    Punkt ein Uhr betraten wir Tonys Zimmer. Er war allein, erwartete aber offensichtlich zahlreiche Gäste, der Tisch, ein quadratischer mit einem einfachen Leinentischtuch, war für sehr viele Leute gedeckt. Wir lehnten Sherry und Zigaretten ab, dann trat verlegenes Schweigen ein.
    »Mal wieder auf der Jagd gewesen?«, fragte er Linda.
    »Ja, gestern waren wir draußen.«
    »Guter Tag?«
    »Ja, sehr. Wir fanden die Spur sofort, es gab eine Geländejagd über sieben Meilen, und dann …«
    Plötzlich fiel Linda ein, dass ihr Lord Merlin einmal gesagt hatte: »Jagen Sie, soviel Sie wollen, aber erzählen Sie nie davon, es ist das langweiligste Gesprächsthema, das es gibt.«
    »Aber das ist ja wunderbar, sieben Meilen. Ich muss unbedingt mal wieder raus zu den Heythrops, bei ihnen soll es dieses Jahr fantastisch laufen. Wir hatten gestern auch einen guten Tag.«
    Er setzte zu einem genauen Bericht über jede Minute an, wo sie die Spur gefunden hatten, wohin sie dann geritten waren, wie sein erstes Pferd plötzlich gelahmt hatte, wie dann sein zweites Pferd glücklicherweise gleich zur Stelle gewesen sei, und so weiter. Ich verstand sofort, was Lord Merlin gemeint hatte. Linda indessen hing mit atemlosem Interesse an seinen Lippen.
    Endlich hörte man auf der Straße ein Geräusch, und er trat ans Fenster.
    »Gut«, sagte er, »da sind die anderen.«
    Die anderen waren in einem gewaltigen Daimler aus London gekommen und strömten jetzt, angeregt plaudernd, ins Zimmer. Vier hübsche Mädchen und ein junger Mann. Bald erschienen noch einige jüngere Semester und vervollständigten die Party. Aus unserer Sicht war sie nicht besonders lustig, die anderen kannten einander zu gut. Sie schwatzten in einem fort, lachten schallend über irgendwelche beziehungsreichen Witze und spielten sich auf; dennoch, wir hatten das Gefühl, dies sei das Leben, und auch als Zuschauerinnen hätten wir unseren Spaß gehabt, wäre da nicht dieses abscheuliche Schuldgefühl gewesen, das uns jetzt fast Bauchschmerzen bereitete. Jedes Mal, wenn sich die Tür öffnete, wurde Linda ganz bleich. Sie hatte wohl tatsächlich das Gefühl, jeden Augenblick könne Onkel Matthew erscheinen und seine Peitsche knallen lassen.
    Sobald die Höflichkeit es zuließ – aber da war es schon ziemlich spät, denn als die Turmuhr vier schlug, saßen noch alle am Tisch –, sagten wir Auf Wiedersehen und entflohen nach Hause.
    Matt, dieser Schuft, und die gemeine Jassy schaukelten am Garagentor.
    »Wie geht es Lavender? Hat sie über eure Lidschatten gelacht? Wascht euch besser, bevor es Pa sieht. Ihr wart ja stundenlang weg. Gab es Kabeljau? Wie war der Dachs?«
    Linda brach in Tränen aus. »Lasst mich in Ruhe, ihr schrecklichen Anti-Hons!«, schrie sie und stürzte hinauf in ihr Zimmer.
    Die Liebe hatte sich an diesem kurzen Tag verdreifacht.

    Am Samstag platzte die Bombe.
    »Linda und Fanny, Pa will euch im Geschäftszimmer sprechen. Und je früher ihr hingeht, desto besser für euch, nach seiner Miene zu urteilen!«, rief uns Jassy zu, als wir ihr, von der Jagd heimkehrend, in der Auffahrt begegneten. Das Herz rutschte uns in die Hose. Voll böser Vorahnungen sahen wir uns an.
    »Bringen wir es hinter uns«, meinte Linda, und schon hasteten wir zum Geschäftszimmer; wir wussten, dass das Schlimmste eingetreten war.
    Eine unglücklich dreinblickende Tante Sadie und ein zähneknirschender Onkel Matthew konfrontierten uns mit unserem Verbrechen. Der ganze Raum war erfüllt von den blauen Blitzen seiner Augen, und der Donner des Jupiter konnte nicht furchtbarer sein als das Gebrüll, mit dem er uns empfing: »Ist euch klar, dass

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