Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
sich eure Ehemänner dafür von euch scheiden lassen könnten, wenn ihr verheiratet wärt?«
Linda fing an, Einwände zu machen. Sie kannte sich im Scheidungsrecht aus, denn sie hatte den ganzen Fall Russell sehr genau in den Zeitungen verfolgt, mit denen in den Gästezimmern die Kaminfeuer angelegt wurden.
»Unterbrich deinen Vater nicht«, fuhr Tante Sadie sie mit einem warnenden Blick an.
Onkel Matthew hatte gar nichts gehört. Der Orkan erreichte jetzt seinen Höhepunkt.
»Da wir jetzt wissen, dass man euch nicht trauen kann und dass ihr euch nicht zu betragen wisst, werden wir gewisse Maßregeln ergreifen müssen. Fanny wird gleich morgen nach Hause fahren, und ich will dich hier nie wieder sehen, hast du verstanden? Soll Emily dich in Zukunft bändigen, wenn sie kann, aber du gerätst auf die gleiche Bahn wie deine Mutter – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und was dich angeht, Fräulein, von der Saison in London kann natürlich keine Rede mehr sein – in Zukunft werden wir dich während jeder Minute des Tages beaufsichtigen müssen – nicht besonders angenehm, ein Kind zu haben, auf das man sich nicht verlassen kann – und in London gäbe es zu viele Möglichkeiten, um sich wegzuschleichen. Du kannst hier in deinem eigenen Saft schmoren. Und gejagt wird dieses Jahr auch nicht mehr. Sei froh, dass du keine Prügel bekommst; die meisten Väter würden dich jetzt gründlich verbimsen, hörst du? Ihr könnt jetzt zu Bett gehen, und ihr redet kein Wort mehr miteinander, bis Fanny abreist. Ich lasse sie morgen mit dem Wagen hinüberbringen.«
Es dauerte Monate, bis wir erfuhren, wie sie es herausbekommen hatten. Uns war es wie Hexerei erschienen, aber die Erklärung war ganz einfach. Jemand hatte bei Tony Kroesig seinen Schal liegen gelassen, und er hatte angerufen und gefragt, ob dieser Schal einer von uns beiden gehörte.
8
Wie immer war Onkel Matthews Bellen kräftiger als sein Biss, aber dieser Krach war, solange er dauerte, der schlimmste, an den man sich in Alconleigh erinnern konnte. Ich wurde am nächsten Tag zu Tante Emily geschickt, während Linda mir aus ihrem Schlafzimmerfenster zuwinkte und nachrief: »Du kannst froh sein, dass du nicht ich bist« (was ihr gar nicht ähnlich sah, denn meistens verkündete sie: »Bin ich froh, dass ich ich bin!«); auch durfte sie ein- oder zweimal nicht mit zur Jagd. Dann jedoch begann sich die Lage zu entspannen, das dünne Ende des Keils, und allmählich kamen die Dinge wieder ins Lot, auch wenn man in der Familie mutmaßte, dass Onkel Matthew diesmal in Rekordzeit ein weiteres Gebiss zermalmt habe.
Die Planungen für die Londoner Saison gerieten jedoch nicht ins Stocken, und nach wie vor schlossen sie auch mich ein. Später hörte ich, dass Davey und Fort Williams es auf sich genommen hatten, Tante Sadie und Onkel Matthew (vor allem Onkel Matthew) auseinanderzusetzen, dass das, was wir getan hatten, nach modernen Maßstäben völlig normal war, obgleich sie natürlich zugeben mussten, dass es sehr falsch von uns gewesen war, so viele schamlose Lügen zu erfinden.
Wir beteuerten, es tue uns sehr leid, und versprachen hoch und heilig, nie wieder so hinterlistig zu sein, sondern Tante Sadie immer zu fragen, wenn wir etwas Besonderes vorhatten.
»Nur wird es dann natürlich immer heißen: nein«, meinte Linda und warf mir einen verzweifelten Blick zu.
Tante Sadie mietete für den Sommer ein möbliertes Haus in der Nähe des Belgrave Square. Dieses Haus hatte so wenig Charakter, dass ich mich kaum daran erinnern kann, ich weiß nur noch, dass ich von meinem Schlafzimmerfenster einen Blick auf die Schornsteine hatte und dass ich an heißen Sommerabenden oft dort saß, den Schwalben zusah, die immer in Paaren herumflogen, und mir innig wünschte, auch jemanden zu haben, mit dem ich ein Paar bilden könnte.
Wir hatten tatsächlich sehr viel Spaß, aber ich glaube, wir genossen die Tanzerei weniger als die Tatsache, dass wir nun erwachsen waren und in London sein konnten. Was dem Vergnügen auf den Bällen vor allem Abbruch tat, waren, wie Linda sich ausdrückte, die Kerle. Sie waren alle schrecklich langweilig, vom gleichen Schlag wie die, die Louisa nach Alconleigh geholt hatte; Linda, die nach wie vor von ihrer Liebe zu Tony träumte, konnte sie nicht auseinanderhalten, sie war nicht einmal imstande, sich ihre Namen zu merken. Ich dagegen sah mich hoffnungsfroh nach einem möglichen Lebensgefährten um, aber obwohl ich mich aufrichtig bemühte,
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