Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
alles schien ihn zum Lachen zu bringen; als sie sich nach dem Tanz setzten, plauderte sie munter weiter, und Tony brach immer wieder in schallendes Gelächter aus. Einen besseren Weg zu Lindas Gunst gab es nicht; Leute, die viel lachten, gefielen ihr immer, und natürlich kam es ihr nicht in den Sinn, dass Tony ein bisschen betrunken war. Auch als der nächste Tanz begann, blieben sie beieinander sitzen. Onkel Matthew bemerkte es sofort und begann, wütende Blicke um sich werfend, vor ihnen auf und ab zu gehen, bis Davey die Gefahr erkannte und ihn unter dem Vorwand, einer der Ölöfen in der Halle qualme, davonzerrte.
»Wer ist der Gulli bei Linda?«
»Kroesig, Gouverneur der Bank von England, weißt du; sein Sohn.«
»Lieber Himmel, ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals einen Vollbluthunnen unter diesem Dach bewirten würde – wer zum Teufel hat ihn eingeladen?«
»Lieber Matthew, reg dich bitte nicht auf. Die Kroesigs sind keine Hunnen, sie leben seit Generationen hier, eine höchst angesehene englische Bankiersfamilie.«
»Einmal Hunne, immer Hunne«, stieß Onkel Matthew hervor, »und auf Bankleute bin ich sowieso nicht gut zu sprechen. Aber dieser Kerl muss hier ohne Einladung eingedrungen sein.«
»Nein, er kam mit Merlin.«
»Wusste ich doch, dass dieser verfluchte Merlin früher oder später mit Ausländern aufkreuzen würde. Hab’s schon immer gesagt, aber dass er ausgerechnet einen Deutschen anschleppt, hätte ich nicht gedacht.«
»Findest du nicht, dass es an der Zeit wäre, das Orchester mit Champagner zu versorgen?«, fragte Davey.
Aber Onkel Matthew stapfte hinunter in den Heizungskeller, wo er mit Timb, dem Hilfsheizer, ein langes, besänftigendes Gespräch über Koks führte.
Inzwischen fand Tony, dass Linda hinreißend hübsch und äußerst fröhlich war, was auch zutraf. Er sagte es ihr und tanzte immer wieder mit ihr, bis Lord Merlin, über das, was da vor sich ging, ebenso verstimmt wie Onkel Matthew, seine Gäste sehr entschieden und sehr früh zum Aufbruch drängte.
»Ich sehe Sie morgen beim Jagdtreff«, sagte Tony, während er sich ein weißes Halstuch umband.
Den übrigen Abend war Linda schweigsam und geistesabwesend.
»Du willst doch nicht etwa auf die Jagd gehen, Linda«, sagte Tante Sadie am nächsten Morgen, als Linda in Reitkleidern nach unten kam, »das wäre unhöflich, du musst dich um deine Gäste kümmern. Du kannst sie nicht einfach allein lassen.«
»Allerliebste Mama«, sagte Linda, »das Treffen ist bei Cock’s Barn, und du weißt, da kann ich einfach nicht widerstehen. Außerdem war Flora die ganze Woche nicht draußen, sie würde wahnsinnig. Sei lieb und zeig ihnen die römische Villa oder irgendwas, ich schwöre, ich komme ganz früh zurück. Sie haben ja auch noch Fanny und Louisa.«
Es war diese unglückselige Jagd, die, soweit es Linda betraf, den Ausschlag gab. Der Erste, den sie am Jagdtreff traf, war Tony auf einem prächtigen kastanienbraunen Pferd. Auch Linda war mit Reittieren immer gut ausgestattet, Onkel Matthew war stolz auf ihre Reitkünste und hatte ihr zwei hübsche, lebhafte Pferdchen geschenkt. Tony und Linda fanden die Spur sofort, und nun folgte ein kurzer, scharfer Galopp, bei dem jeder dem anderen zeigen wollte, was er konnte. Seite an Seite setzten sie über die Steinmauern, bis sie plötzlich auf einem Dorfanger innehielten. Ein paar Hunde hatten einen Hasen aufgestöbert, der den Kopf verlor, in einen Ententeich sprang und nun verzweifelt darin herumpaddelte.
Lindas Augen füllten sich mit Tränen. »Oh, der arme Hase!«
Tony sprang vom Pferd und stürmte in den Teich. Er rettete den Hasen, watete, die schönen weißen Breeches von grünem Unrat bedeckt, wieder heraus und setzte ihn Linda nass und keuchend in den Schoß. Es war die romantische Geste seines Lebens.
Als sich der Tag seinem Ende zuneigte, trennte sich Linda von der Meute, für den Heimweg wollte sie eine Abkürzung benutzen.
Tony öffnete ihr ein Gatter, zog den Hut und sagte: »Sie sind eine wunderbare Reiterin, wissen Sie. Gute Nacht, wenn ich wieder in Oxford bin, rufe ich Sie an.«
Als Linda nach Hause kam, zerrte sie mich sogleich in den Wäscheschrank der Hons und erzählte mir alles. Sie hatte sich verliebt.
Wenn man bedenkt, in welcher Gemütsverfassung Linda die beiden letzten endlos langen Jahre verbracht hatte, war es ihr geradezu vorbestimmt, sich in den erstbesten jungen Mann zu verlieben, der ihr über den Weg lief. Es hätte kaum anders
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