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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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wenig. Linda bekommt, glaube ich, eine kleine Summe von Onkel Matthew, und Christian wird wohl mit seinem Journalismus etwas verdienen. Wie ich höre, laufen die Kroesigs herum und erzählen, das Gute an der Sache sei, dass sie jedenfalls verhungern werde.«
    »Ach wirklich, sagen sie das?« Lord Merlin zog sein Notizbuch hervor. »Würden Sie mir bitte Lindas Adresse geben, ich bin gerade auf dem Weg nach London.«
    Alfred kam herein, wie üblich ohne zu wissen, was um ihn herum vorging, und ganz versunken in irgendeinen Aufsatz, den er gerade schrieb.
    »Sie können mir nicht zufällig sagen«, fragte er Lord Merlin, »wie hoch der tägliche Milchverbrauch im Vatikanstaat ist?«
    »Nein, natürlich nicht«, entgegnete Lord Merlin gereizt. »Fragen Sie Tony Kroesig, der weiß alles. Also, auf Wiedersehen, Fanny, ich muss sehen, was ich tun kann.«
    Und er tat etwas – er schenkte Linda ein Häuschen weit unten am Cheyne Walk. Es war das netteste Puppenhaus, das man je gesehen hat, an der großen Biegung der Themse, wo auch Whistler gewohnt hat. Die Lichtreflexe vom Fluss und das Licht der südlichen oder westlichen Sonne erfüllten die Zimmer; das Haus war mit Wein bewachsen und hatte einen Trafalgarbalkon. Linda fand es himmlisch. Das nach Osten gewandte Gebäude am Bryanston Square war anfangs dunkel, kalt und pompös gewesen. Nachdem Linda es von einem befreundeten Innenarchitekten hatte renovieren lassen, war es weiß, kalt und gruftähnlich geworden. Der einzige schöne Gegenstand, den sie besessen hatte, war ein Bild, eine dicke, tomatenrote Badende, das ihr Lord Merlin geschenkt hatte, um die Kroesigs zu ärgern. Es hatte sie tatsächlich geärgert, sogar sehr. Nun, in dem Haus am Cheyne Walk tat dieses Bild eine wunderbare Wirkung, man konnte kaum sagen, wo die Reflexe des wirklichen Wassers endeten und wo der Renoir begann. Die Freude, die diese neue Umgebung Linda bereitete, die Erleichterung darüber, dass sie die Kroesigs ein für allemal los war, hatte sie Christian zu verdanken, so muss es ihr jedenfalls vorgekommen sein, von ihm schien alles auszugehen. Die Entdeckung, dass die wirkliche Liebe und das wirkliche Glück ein weiteres Mal an ihr vorübergegangen waren, verzögerte sich dadurch um eine ganze Weile.

14
    Die Radletts waren über die ganze Affäre mit Linda schockiert und entsetzt, aber sie mussten auch an ihre anderen Kinder denken, und gerade jetzt trafen sie Vorbereitungen, um die bildhübsche Jassy in die Gesellschaft einzuführen. Jassy, so hofften sie, würde ein Ausgleich für die Enttäuschung mit Linda sein. Sehr unfair, aber vollkommen typisch für die Radletts war es, dass Louisa, die ganz und gar den Wünschen ihrer Eltern gemäß geheiratet hatte, eine treue Ehefrau und inzwischen Mutter von fünf Kindern war, in den Augen dieser Eltern kaum zählte. Irgendwie erschien sie ihnen sogar ziemlich langweilig.
    Jassy besuchte zusammen mit Tante Sadie in London ein paar Bälle gegen Ende der Saison, gleich nachdem Linda Tony verlassen hatte. Sie galt als zartbesaitet, und Tante Sadie war der Ansicht, es werde ihr besser bekommen, wenn die wirkliche Einführung in der weniger anstrengenden Herbstsaison stattfand. So mietete sie denn im Oktober ein kleines Haus in London, in dem sie sich mit ein paar Dienstboten einrichten wollte, während Onkel Matthew auf dem Land blieb, um Rebhühnern und anderem Getier nachzustellen. Jassy beklagte sich heftig, dass die jungen Männer, die sie bisher kennengelernt habe, langweilig und grässlich seien, aber Tante Sadie nahm keine Notiz davon. Sie sagte, alle Mädchen würden am Anfang so denken, bis sie sich dann verliebten.
    Kurz bevor sie nach London übersiedeln wollten, lief Jassy davon. Sie hatte zuvor noch vierzehn Tage bei Louisa in Schottland verbringen sollen, hatte ihren Besuch jedoch ohne Wissen von Tante Sadie abgesagt, hatte ihre Ersparnisse abgehoben und war, bevor überhaupt jemand bemerkt hatte, dass sie fort war, in Amerika angekommen. Völlig unerwartet bekam die arme Tante Sadie ein Telegramm, in dem es hieß: »Unterwegs nach Hollywood. Macht euch keine Sorgen. Jassy.«
    Die Radletts standen vor einem Rätsel. Nie hatte Jassy das geringste Interesse am Theater oder am Film gezeigt; sie waren überzeugt, dass sie nicht den Wunsch hatte, Filmstar zu werden, aber warum dann Hollywood? Da fiel ihnen ein, dass Matt etwas wissen könnte, er und Jassy waren die beiden Unzertrennlichen in der Familie. Also bestieg Tante Sadie den

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