Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
Vom Netzwerk:
Heathcliff, Dracula und dem Earl of Dorincourt, aus Alconleigh wurde Nightmare Abbey oder ein zweites Haus Usher, und Tante Sadie spielte eine ähnliche Rolle wie David Copperfields Mutter. Diese Sonderkorrespondenten legten so viel Mut, Einfallsreichtum und Zähigkeit an den Tag, dass es keinen von uns überraschte, als sie nachher im Krieg so gute Arbeit leisteten. »Kriegsbericht von Soundso …«
    Onkel Matthew sagte dann immer: »Ist das nicht der verdammte Gulli, den ich damals unter meinem Bett gefunden habe?«
    Er genoss die ganze Sache sehr. Hier hatte er es einmal mit Gegnern zu tun, die seiner würdig waren, nicht mit schreckhaften Hausmädchen und weinerlichen Gouvernanten voller verletzter Gefühle, sondern mit zähen jungen Männern, denen jede Methode recht war, wenn sie nur ins Haus und zu ihrer Story kamen.
    Auch genoss er es offensichtlich sehr, in den Zeitungen etwas über sich zu lesen, und wir alle verdächtigten ihn einer heimlichen Lust am öffentlichen Rummel. Tante Sadie hingegen fand dies alles außerordentlich geschmacklos.
    Die Radletts hatten es für sehr wichtig gehalten, der Presse zu verheimlichen, dass Davey und Louisa im Begriff waren, zu ihrer Rettungstour aufzubrechen, weil vielleicht gerade das unverhoffte Wiedersehen Jassy zur Rückkehr bewegen würde. Leider konnte sich Davey auf eine so lange, strapaziöse Reise nicht ohne eine eigens für ihn zusammengestellte Reiseapotheke begeben. Das dauerte eine gewisse Zeit, in der sie ein Schiff verpassten, und als die Apotheke schließlich fertig war, waren ihnen die Spürhunde schon wieder auf den Fersen – dieser unselige Medizinkasten hatte die gleiche verhängnisvolle Rolle gespielt wie das nécessaire Marie-Antoinettes bei der Flucht nach Varennes.
    Mehrere Journalisten begleiteten sie auf der Überfahrt, aber viel kam für sie dabei nicht heraus, denn Louisa litt an Seekrankheit und hütete das Bett, während Davey seine ganze Zeit hinter verschlossener Tür beim Schiffsarzt verbrachte, der feststellte, dass er an einem Darmkrampf litt, welcher sich durch Massage, Bestrahlung, Gymnastik und allerlei Injektionen leicht kurieren ließ – dies alles und das Ausruhen danach nahmen jeden Augenblick von Daveys Tag in Anspruch.
    Bei ihrer Ankunft in New York aber wurden sie fast in Stücke gerissen, und gemeinsam mit allen Angehörigen der beiden großen englischsprechenden Nationen konnten wir jeden Schritt verfolgen, den sie taten. Sogar in der Filmwochenschau wurden sie gezeigt, sehr gequält blickten sie drein und versteckten ihre Gesichter hinter Büchern.
    Die Reise erwies sich als nutzlos. Zwei Tage nach der Ankunft von Davey und Louisa in Hollywood wurde aus Jassy Mrs. Gary Goon. Louisa telegrafierte die Neuigkeit nach Hause und setzte hinzu: »Gary ist ein fantastischer Hon.«
    Einen Trost gab es immerhin: Nach der Heirat war die Zeitungsstory zu Ende.
    »Er ist wirklich ein lieber Kerl«, meinte Davey bei seiner Rückkehr. »Ein kleiner Mann, wie aus dem Ei gepellt. Ich bin sicher, Jassy wird irrsinnig glücklich mit ihm.«
    Tante Sadie aber war davon nicht überzeugt, und ein Trost war es für sie auch nicht. Sie fand, es sei ein hartes Schicksal, dass sie eine hübsche, liebe Tochter großgezogen hatte, damit diese dann schließlich einen kleinen Mann heiratet, der wie aus dem Ei gepellt ist, und mit ihm Tausende von Meilen weit entfernt lebt. Die Übernahme des Hauses in London wurde rückgängig gemacht, und die Radletts versanken in solchen Trübsinn, dass sie den nächsten Schlag, als er sie traf, mit Fatalismus hinnahmen.
    Matt mit seinen sechzehn Jahren lief aus Eton weg und zog, ebenfalls im grellen Licht der Öffentlichkeit, in den Spanischen Bürgerkrieg. Tante Sadie war darüber sehr bekümmert, anders, glaube ich, als Onkel Matthew. Für ihn war der Wunsch zu kämpfen etwas völlig Natürliches, wenngleich er es sehr bedauerte, dass Matt für Ausländer kämpfte. Gegen die spanischen Roten hatte er im Grunde nichts einzuwenden, das waren mutige Burschen, und sie hatten Verstand genug gehabt, einen Haufen götzendienerischer Mönche, Nonnen und Priester umzulegen, ein Vorgehen, das er billigte, aber es war wirklich ein Jammer, in einem zweitklassigen Krieg zu kämpfen, wenn ein erstklassiger so kurz bevorstand. Es wurde beschlossen, dass nichts unternommen werden sollte, um Matt zurückzuholen.
    Auf dem Weihnachtsfest in Alconleigh ging es in diesem Jahr sehr traurig zu. Die Kinder schienen sich zu verflüchtigen

Weitere Kostenlose Bücher