Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
aufgemuntert.«
Ich wusste nicht, warum, aber es kam mir so vor, als hätte sich Linda erneut in ihren Gefühlen getäuscht, als hätte die Wüstenforscherin zwischen den Sanddünen wieder nur eine Luftspiegelung erblickt. Der See war da, die Bäume waren da, die durstigen Kamele waren hinuntergestiegen, um zu trinken; doch ach, ein paar Schritte vorwärts, und es würden sich nur Staub und Wüste offenbaren, genau wie zuvor.
Kaum war Linda gegangen, um zu Christian und den Genossen nach London zurückzukehren, da bekam ich schon wieder Besuch. Es war Lord Merlin. Ich schätzte ihn sehr, ich bewunderte ihn, ich mochte ihn, aber ich stand keineswegs auf so vertrautem Fuße mit ihm wie Linda. Um die Wahrheit zu sagen, er machte mir Angst. Ich hatte das Gefühl, dass er in meiner Gegenwart immer nahe daran war, sich zu langweilen, und dass er mich ohnehin bloß als jemanden ansah, der zu Linda gehörte, nicht als selbstständiges Wesen, nur als die uninteressante Frau eines kleinen Universitätsdozenten. Ich war nur die Mitwisserin in der weißen Schürze.
»Eine schlimme Sache«, stieß er ohne jede Einleitung hervor, dabei hatten wir uns seit mehreren Jahren nicht gesehen. »Ich komme eben aus Rom zurück, und was finde ich – Linda und Christian Talbot. Wirklich merkwürdig, dass ich England nie den Rücken kehren kann, ohne dass Linda sich mit irgendeiner völlig unerwünschten Gestalt einlässt. Eine Katastrophe ist das – wie weit ist es denn gekommen? Lässt sich noch etwas tun?«
Ich sagte ihm, dass er Linda nur knapp verfehlt habe, und wollte ihm erzählen, dass ihre Ehe mit Tony unglücklich gewesen sei. Er wischte meine Worte mit einer Geste, die mich verwirrte, beiseite – ich kam mir vor wie ein Dummkopf.
»Selbstverständlich wäre sie niemals bei Tony geblieben – das hat ja auch keiner erwartet. Das Problem besteht darin, dass sie vom Regen in die Traufe gekommen ist. Wie lange geht das denn schon?«
Ich sagte ihm, meiner Ansicht nach habe auch der Kommunismus sie gelockt: »Linda hat immer das Bedürfnis gehabt, sich für eine gute Sache einzusetzen.«
»Eine gute Sache!«, meinte er spöttisch. »Meine liebe Fanny, ich glaube, Sie bringen hier Sachen und Personen durcheinander. Nein, Christian ist ein attraktiver Bursche, und ich verstehe diese Reaktion nach der Erfahrung mit Tony vollkommen, aber es ist und bleibt eine Katastrophe. Wenn sie ihn liebt, wird er sie unglücklich machen, und wenn nicht, dann bedeutet dies, dass sie die gleiche Laufbahn wie Ihre Mutter angetreten hat, und das wäre für Linda nun wirklich verhängnisvoll. Nirgendwo sehe ich einen Hoffnungsschimmer. Geld ist natürlich auch keines da, dabei braucht sie Geld, sie braucht es wirklich.«
Er trat ans Fenster und warf einen Blick auf das von der im Westen stehenden Sonne vergoldete Christ Church College.
»Ich kenne Christian«, sagte er, »seit er ein kleiner Junge war – sein Vater ist ein guter Freund von mir. Christian ist ein Mann, der durchs Leben geht, ohne sich an irgendjemanden zu binden – Menschen bedeuten ihm nichts. Die Frauen, die sich in ihn verliebt haben, hatten schwer zu leiden, weil er gar nicht bemerkt, dass sie überhaupt da sind. Ich vermute, ihm ist noch gar nicht recht bewusst, dass Linda zu ihm gezogen ist – immer steckt er mit dem Kopf in den Wolken, und immer ist er hinter irgendeiner neuen Idee her.«
»Ungefähr so hat es mir Linda vorhin auch erzählt.«
»Ach, ist es ihr schon aufgefallen? Na ja, sie ist nicht dumm, und am Anfang macht es ihn sogar besonders attraktiv – wenn er dann nämlich aus seinen Wolken auftaucht, ist er unwiderstehlich, ich verstehe das genau. Aber wie können sie sich je irgendwo niederlassen? Christian hat sich nie ein Zuhause geschaffen und verspürt auch gar kein Bedürfnis danach; er würde nicht wissen, was er damit anfangen soll, es wäre ihm lästig. Nie wird er sich hinsetzen und mit Linda plaudern oder sich irgendwie auf sie konzentrieren, und sie ist eine Frau, die diese Art von Zuwendung ganz besonders braucht. Es ist wirklich zu dumm, dass ich nicht da war, als es passierte. Ich hätte es bestimmt verhindern können. Jetzt ist natürlich nichts mehr zu machen.«
Er wandte sich vom Fenster ab und sah mich so zornig an, dass ich plötzlich das Gefühl hatte, ich sei an allem schuld – in Wirklichkeit war ihm meine Anwesenheit in diesem Augenblick wahrscheinlich gar nicht bewusst.
»Wovon leben die beiden?«, fragte er.
»Sie haben sehr
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