Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
wie die Zehn kleinen Negerlein. Bob und Louisa, die ihren Eltern ihr Leben lang keine unruhige Minute beschert hatten, John Fort William, so langweilig wie eh und je, und Louisas Kinder, nett und lieb, aber ohne jede Originalität, konnten das Fehlen von Linda, Matt und Jassy nicht wettmachen, während sich Robin und Victoria, die wie immer voller Streiche und Narreteien steckten, vor der ganzen Atmosphäre nur zu retten wussten, indem sie sich so oft wie möglich im Wäscheschrank der Hons verkrochen.
Sobald ihre Scheidung ausgesprochen war, heiratete Linda in der Caxton Hall. Diese Hochzeit unterschied sich von ihrer ersten so sehr, wie sich die linken Parteien von den anderen unterscheiden. Es war nicht direkt traurig, aber irgendwie freudlos und bedrückend, und ein Gefühl von Beglückung wollte sich nicht einstellen. Von Lindas Freunden war kaum jemand gekommen und von ihren Verwandten niemand außer Davey und mir; Lord Merlin schickte zwei Aubussonteppiche und ein paar Orchideen, aber er selbst erschien nicht. Die Plauderer der Zeit vor Christian waren aus Lindas Leben verschwunden und beklagten jetzt lauthals, wie viel dadurch ihrem eigenen fehlte.
Christian hatte sich verspätet, aber schließlich kam er angehastet, gefolgt von mehreren Genossen.
»Er sieht glänzend aus, das muss ich sagen«, flüsterte mir Davey ins Ohr, »dennoch, mir kann das Ganze hier gestohlen bleiben!«
Es gab kein Hochzeitsessen, und nach ein paar Augenblicken, in denen alle unschlüssig und ziemlich verlegen vor dem Saal herumstanden, gingen Linda und Christian nach Hause. Ich kam mir vor wie eine Provinzlerin, die einen Tag in London verbrachte und etwas vom pulsierenden Leben der Stadt mitbekommen wollte, deshalb ließ ich mich von Davey zum Luncheon ins Ritz einladen. Aber das deprimierte mich nur noch mehr. Meine Kleider, die im »George« in Oxford so schick und gut aussahen und mir die Bewunderung der anderen Professorenfrauen eintrugen (»Meine Liebe, woher haben Sie diesen herrlichen Tweed?«), wirkten, wie ich bald bemerkte, in dieser Umgebung fast grotesk altmodisch, genau wie damals mit den flatternden Tafteinsätzen. Ich dachte an meine lieben schwarzhaarigen Kinder in ihrem Kinderzimmer – es waren inzwischen drei – und an den lieben Alfred in seinem Arbeitszimmer, aber im Augenblick war dieser Gedanke überhaupt nicht tröstlich. Mich packte ein brennendes Verlangen nach einer schicken Pelzkappe oder einem netten Hut mit Straußenfedern, wie die beiden Damen am Nebentisch sie trugen. Mich verlangte nach einem eleganten schwarzen Kleid, nach Diamantenclips, einem dunklen Nerzmantel, nach Absätzen, so hoch wie orthopädische Schuhe, nach langen schwarzen Velourslederhandschuhen und glattem, glänzendem Haar.
Als ich versuchte, Davey das alles zu erklären, meinte er geistesabwesend: »Ach, Fanny, du brauchst das alles doch gar nicht, und woher willst du die Zeit für les petits soins de la personne nehmen, wo du an so viel andere, wichtigere Dinge denken musst.«
Wahrscheinlich glaubte er, das würde mich aufmuntern.
Bald nach der Hochzeit nahmen die Radletts Linda wieder in den Schoß der Familie auf. Zweitehen geschiedener Leute zählten für sie einfach nicht, und Victoria hatte sich eine scharfe Rüge eingehandelt, als sie einmal sagte, Linda sei mit Christian verlobt.
»Man kann sich nicht verloben, wenn man verheiratet ist.«
Nicht die Trauung hatte sie besänftigt – in ihren Augen lebte Linda seither im Zustand des Ehebruchs –, aber sie brauchten Linda einfach so sehr, dass sie den Streit nicht weitertreiben mochten. Das dünne Ende des Keils (Luncheon mit Tante Sadie bei Gunters) wurde angesetzt, und bald war zwischen ihnen wieder alles beim Alten. Linda fuhr ziemlich oft nach Alconleigh, aber ohne Christian mitzunehmen, denn sie fand, damit sei niemandem gedient.
Linda und Christian wohnten in dem Haus am Cheyne Walk, und wenn Linda nicht so glücklich war, wie sie es erhofft hatte, so ließ sie wie gewöhnlich nach außen nichts davon erkennen. Christian liebte sie gewiss sehr, und auf seine Art versuchte er, freundlich zu ihr zu sein. Aber er war, wie es Lord Merlin prophezeit hatte, viel zu distanziert, um eine normale Frau glücklich zu machen. Wochenlang schien er ihre Anwesenheit kaum zu bemerken; ein andermal verschwand er, tauchte tagelang nicht auf und war viel zu beschäftigt, um ihr mitzuteilen, wo er gerade war oder wann sie ihn zurück erwarten konnte. Er aß und schlief, wohin
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