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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Linda mit Christian Ehebruch beging, aber der war wenigstens Engländer, Linda war ihm ordnungsgemäß vorgestellt worden und kannte seinen Nachnamen. Außerdem hatte Christian immer die Absicht gehabt, sie zu heiraten. Wie viel weniger würde es Tante Sadie da gefallen, wenn ihre Tochter sich einen unbekannten, namenlosen Ausländer aufgabelte und mit ihm auf und davon ging, um im Luxus zu leben. Es war ein weiter Weg von dem Lunch in Oxford bis hierher, obgleich Onkel Matthew, wenn er ihre Lage kennen würde, darin zweifellos nur einen Schritt in der gleichen Richtung gesehen hätte – auf immer würde er sie verstoßen, sie in den Schnee hinausjagen, Fabrice erschießen oder irgendeine andere Gewalttat vollbringen, die ihm gerade in den Sinn kam. Und dann würde ihn irgendetwas zum Lachen bringen, und alles wäre wieder gut. Bei Tante Sadie war es anders. Sie würde zwar nicht viel sagen, aber sie würde ins Grübeln geraten, würde sich alles zu Herzen nehmen und sich fragen, ob sie bei Lindas Erziehung irgendetwas falsch gemacht hatte; Linda hoffte zutiefst, dass sie es nie herausfinden würde.
    In diese Träumerei hinein klingelte das Telefon. Germaine nahm ab, klopfte dann an die Badezimmertür und sagte: »Monsieur le duc sera légèrement en retard, madame.«
    »Es ist gut – danke«, antwortete Linda.
    Beim Abendessen sagte sie: »Könnte man Ihren Namen erfahren?«
    »Oho«, sagte Fabrice, »haben Sie ihn noch nicht herausgefunden? Welch außergewöhnlicher Mangel an Neugier. Mein Name ist Sauveterre. Kurzum, madame, ich freue mich, Ihnen sagen zu können, dass ich ein sehr reicher Herzog bin, eine höchst angenehme Sache, auch heutzutage.«
    »Wie schön für Sie. Und da wir schon bei Ihrem Privatleben sind – sind Sie verheiratet?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Meine Verlobte ist gestorben.«
    »Ach, traurig – wie war sie?«
    »Sehr hübsch.«
    »Hübscher als ich?«
    »Viel hübscher. Und sehr korrekt.«
    »Korrekter als ich?«
    »Vous – vous êtes une folle, madame, aucune correction. Et elle était gentille – mais d’une gentillesse, la pauvre.«
    Zum ersten Mal, seit sie ihn kennengelernt hatte, war Fabrice wirklich sentimental geworden, und plötzlich überfiel Linda eine schreckliche Eifersucht, so schrecklich, dass ihr fast schwarz vor Augen wurde. Wenn sie es noch nicht erkannt hatte, dann begriff sie es jetzt und für immer: dass dies die große Liebe ihres Lebens werden sollte.
    »Fünf Jahre«, sagte sie, »ist eine lange Zeit, wenn man noch alles vor sich hat.«
    Aber Fabrice war in Gedanken immer noch bei seiner Verlobten.
    »Sie starb vor viel mehr als fünf Jahren – im Herbst werden es fünfzehn. Jedes Mal gehe ich hin und lege ihr Rosen aufs Grab, diese kleinen, festen Rosen mit den dunkelgrünen Blättern, die sich nie richtig öffnen – sie erinnern mich an sie. Dieu, que c’est triste.«
    »Und wie hieß sie?«
    »Louise. Enfant unique du dernier Rancé. Ich besuche oft ihre Mutter, sie lebt noch, eine bemerkenswerte alte Dame. Sie ist in England groß geworden, am Hof der Kaiserin Eugénie, aber Rancé heiratete sie trotzdem, aus Liebe. Sie können sich vorstellen, wie seltsam das allen vorkam.«
    Tiefe Schwermut erfasste sie beide. Linda erkannte nur zu deutlich, dass sie es nicht mit einer Verlobten aufnehmen konnte, die nicht nur hübscher und korrekter als sie war, sondern auch noch tot. Es erschien ihr äußerst unfair. Würde sie noch leben, so wäre ihr hübsches Aussehen nach fünfzehn Jahren Ehe sicherlich verblasst, und ihre Korrektheit wäre nur noch langweilig gewesen; aber als Tote war sie für immer einbalsamiert in ihre Jugend, ihre Schönheit und ihre gentillesse.
    Nach dem Abendessen jedoch kehrte das Glück in Lindas Leben zurück. Die Liebe mit Fabrice war ein Rausch, ganz anders als alles, was sie bisher erlebt hatte.
    (»Die Schlussfolgerung drängte sich mir auf«, sagte sie, als sie mir später davon erzählte, »dass weder Tony noch Christian eine Ahnung von dem hatten, was wir früher die Tatsachen des Lebens genannt haben. Aber ich vermute, als Liebhaber sind alle Engländer hoffnungslos.«
    »Nicht alle«, erwiderte ich, »das Problem bei den meisten besteht darin, dass sie nicht bei der Sache sind, und diese Sache bedarf nun mal großer Hingabe. Alfred«, so fügte ich hinzu, »ist wunderbar.«
    »Na schön«, meinte sie, schien aber nicht überzeugt.)
    Sie saßen noch lange da und sahen aus dem Fenster. Der Abend war warm, und als die

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