Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Sonne untergegangen war, glomm noch ein grünes Licht hinter den schwarzen Umrissen der Bäume, bis die völlige Dunkelheit hereinbrach.
»Lachen Sie immer, wenn Sie mit einem Mann schlafen?«, fragte Fabrice.
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber ich nehme es an. Wenn ich glücklich bin, lache ich meistens, und wenn nicht, weine ich, ich habe einen schlichten Charakter, wissen Sie. Finden Sie es seltsam?«
»Sehr verwirrend zuerst, das muss ich sagen.«
»Aber warum – lachen denn die meisten Frauen nicht?«
»Nein, keineswegs. Viel öfter weinen sie.«
»Wie merkwürdig – genießen sie es denn nicht?«
»Mit Genuss hat das nichts zu tun. Wenn sie noch jung sind, rufen sie nach ihrer Mutter, wenn sie gläubig sind, rufen sie die Heilige Jungfrau um Vergebung an. Aber ich habe noch nie eine kennengelernt, die gelacht hat, außer Ihnen. Mais qu’est-ce que vous voulez, vous êtes une folle.«
Linda war ganz gefesselt. »Und was tun sie noch?«
»Was sie alle tun, außer Ihnen – sie sagen: ›Comme vous devez me mépriser.‹«
»Aber warum sollten Sie sie denn verachten?«
»Nun ja, meine Liebe, man tut es eben, so ist das nun mal.«
»Also, das nenne ich höchst unfair. Zuerst verführen Sie sie, um sie dann auch noch zu verachten, die Armen. Was sind Sie doch für ein Ungeheuer.«
»Es gefällt ihnen. Sie schwelgen gern in diesem Gefühl und sagen: ›Qu’est-ce que j’ai fait? Mon Dieu, hélas Fabrice, que pouvez-vous bien penser de moi? O, que j’ai honte.‹ Für diese Frauen gehört das einfach dazu. Aber Sie, Sie scheinen Scham gar nicht zu kennen, Sie brechen einfach in schallendes Gelächter aus. Es ist äußerst seltsam. Pas désagréable, il faut avouer.«
»Aber was war denn mit der Verlobten«, fragte Linda, »haben Sie die nicht verachtet?«
»Mais non, voyons, natürlich nicht. Sie war eine tugendhafte Frau.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie mit ihr nie ins Bett gegangen sind?«
»Nie. Nie und nimmer wäre mir so etwas in den Sinn gekommen.«
»Du liebe Güte«, entfuhr es Linda, »in England machen wir es immer.«
»Ma chère, c’est bien connu, le côté animal des anglais. Die Engländer sind eine trunksüchtige, zügellose Rasse, das ist bekannt.«
»Aber sie wissen es nicht. Das Gleiche sagen die Engländer nämlich immer von den Ausländern.«
»Die französischen Frauen sind die tugendhaftesten in der ganzen Welt«, erklärte Fabrice mit jenem übertriebenen Stolz in der Stimme, mit dem die Franzosen immer über ihre Frauen sprechen.
»Ach, Lieber«, sagte Linda. »Früher war ich so tugendhaft. Ich möchte wissen, was mit mir geschehen ist. Ich bin auf Abwege geraten, als ich meinen ersten Mann heiratete, aber wie hätte ich das wissen sollen? Ich hielt ihn für einen Gott und glaubte, ich würde ihn ewig lieben. Dann geriet ich noch mehr auf die schiefe Bahn, als ich mit Christian davonlief, aber ich glaubte, ihn zu lieben, und ich habe ihn auch geliebt, viel mehr als Tony, aber er hat mich nie wirklich geliebt, und bald habe ich ihn gelangweilt, ich war wohl nicht ernsthaft genug. Aber wenn ich das alles nicht getan hätte, hätte ich am Ende nicht auf einem Koffer an der Gare du Nord gesessen und hätte Sie nie kennengelernt, eigentlich bin ich also froh darüber. Und gleichgültig, wo ich in meinem nächsten Leben zur Welt komme, sobald ich im heiratsfähigen Alter bin, werde ich auf dem schnellsten Weg zu den Boulevards eilen und mir dort einen Mann suchen.«
»Comme c’est gentil«, sagte Fabrice, »et en effet, die Ehen in Frankreich sind meistens sehr, sehr glücklich, wissen Sie. Mein Vater und meine Mutter führten ein völlig ungetrübtes Leben miteinander, sie liebten sich so sehr, dass sie kaum in Gesellschaft gingen. Der Lebensabend meiner Mutter erstrahlt noch immer von einer Art Nachglühen dieses Glücks. Was für eine gute Frau sie doch ist!«
»Ich muss Ihnen sagen«, fuhr Linda fort, »dass auch meine Mutter und eine meiner Tanten, eine meiner Schwestern und meine Cousine tugendhafte Frauen sind, Tugend ist in meiner Familie also kein unbekanntes Wort. Und überhaupt, Fabrice, was ist denn mit Ihrer Großmutter?«
»Ja«, meinte Fabrice mit einem Seufzer. »Ich gebe zu, sie war eine große Sünderin. Aber sie war auch une très grande dame , und sie starb geläutert und völlig ausgesöhnt mit der Kirche.«
18
Es kam jetzt eine gewisse Regelmäßigkeit in das Leben der beiden. Fabrice speiste jeden Abend mit ihr in der Wohnung
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