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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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verwegenem Lächeln, »aber sei’s drum, man isst nicht jeden Tag in Paris.«
    Lord Merlin schlenderte mit seiner Teetasse umher. Er griff nach einem Buch, das Linda tags zuvor von Fabrice geschenkt bekommen hatte, romantische Gedichte aus dem neunzehnten Jahrhundert.
    »Lesen Sie jetzt so etwas?«, fragte er. »›Dieu, que le son du cor est triste au fond des bois.‹ Als ich in Paris lebte, hatte ich einen Freund, der sich eine Boa constrictor als Haustier hielt, und diese Boa verkroch sich eines Tages in einem Waldhorn. Mein Freund rief mich an und meinte sorgenvoll: ›Dieu, que le son du boa est triste au fond du cor.‹ Ich habe es nie vergessen.«
    »Um welche Zeit stellt sich denn dein Liebhaber im Allgemeinen ein?«, fragte Davey und zog seine Uhr hervor.
    »Nicht vor sieben. Bleibt doch und seht ihn euch an, er ist so ein fantastischer Hon.«
    »Nein danke, auf gar keinen Fall.«
    »Wer ist es denn?«, fragte Lord Merlin.
    »Er nennt sich Duc de Sauveterre.«
    Davey und Lord Merlin wechselten einen Blick, in dem sich höchste Verwunderung und belustigtes Entsetzen mischten.
    »Fabrice de Sauveterre?«
    »Ja. Kennen Sie ihn?«
    »Liebe Linda, über Ihrer raffinierten Eleganz vergisst man immer wieder, was für eine kleine Provinzlerin Sie im Grunde doch sind. Selbstverständlich kennen wir ihn, und wir wissen alles über ihn, mehr noch: Jeder weiß es, nur Sie nicht.«
    »Ja, finden Sie denn nicht, dass er ein fantastischer Hon ist?«
    »Fabrice«, sagte Lord Merlin mit Nachdruck, »ist im Hinblick auf Frauen ohne Zweifel einer der verruchtesten Männer in ganz Europa. Aber ich muss zugeben, als Gesellschafter ist er höchst angenehm.«
    »Weißt du noch, in Venedig«, meinte Davey, »immer sah man ihn auf dieser Gondel bei der Arbeit, eine nach der anderen legte er sie um, wie die Karnickel, die armen Kleinen.«
    »Bitte denkt daran«, sagte Linda, »dass ihr in diesem Augenblick sein Gebäck esst und seinen Tee trinkt.«
    »Ach ja, und es schmeckt wirklich köstlich. Bitte noch einen éclair, Linda. Und dann der Sommer«, fuhr er fort, »in dem er mit der Freundin des Grafen Ciano durchbrannte, was war das für eine Aufregung, ist mir unvergesslich, und eine Woche später ließ er sie in Cannes sitzen, fuhr mit Martha Birmingham nach Salzburg, und der arme alte Claude hat vier Mal auf ihn geschossen und kein Mal getroffen.«
    »Fabrice lebt im Schutz eines Zaubers«, sagte Lord Merlin. »Auf ihn ist wohl häufiger geschossen worden als auf irgendjemanden sonst, aber soviel ich weiß, hat er nie auch nur einen Kratzer davongetragen.«
    Linda ließ sich durch diese Enthüllungen, denen Fabrice selbst schon zuvorgekommen war, nicht erschüttern. Keiner Frau macht es viel aus, wenn sie von den vergangenen Affären ihres Liebhabers hört, nur die Zukunft vermag zu erschrecken.
    »Lass uns gehen, Mer«, sagte Davey. »Es wird Zeit, dass die petite femme ins négligé schlüpft. Du meine Güte, was für eine Szene, wenn er Mers Zigarre riecht, würde mich nicht wundern, wenn es zu einem crime passionel kommt. Auf Wiedersehen, Linda, wir müssen los, speisen heute Abend mit unseren intellektuellen Freunden. Hast du Lust, morgen Mittag mit uns im Ritz zu essen? So gegen eins. Auf Wiedersehen – liebe Grüße an Fabrice.«
    Als Fabrice kam, schnupperte er herum und fragte, wessen Zigarre das sei.
    Linda erklärte es ihm. »Die beiden behaupten, Sie zu kennen.«
    »Mais bien sûr – Merlin, tellement gentil, et l’autre, Warbeck, toujours si malade, le pauvre. Je les connaissais à Venise. Wie gefiel es ihnen hier?«
    »Sie haben sich über die Wohnung lustig gemacht.«
    »Ja, ich kann es mir vorstellen. Diese Wohnung passt eigentlich nicht zu Ihnen, aber sie ist praktisch, und da jetzt der Krieg bevorsteht …«
    »Oh, aber ich liebe sie, eine andere würde mir nicht halb so gut gefallen. Aber schlau waren sie, dass sie mich hier überhaupt gefunden haben, nicht wahr?«
    »Wollen Sie damit sagen, dass niemand weiß, wo Sie stecken?«
    »Ich habe wirklich nicht daran gedacht – die Tage vergehen so rasch, wissen Sie, da vergisst man so etwas einfach.«
    »Und da dauert es sechs Wochen, bis diese beiden auf die Idee kommen, nach Ihnen zu suchen? Ihre Familie erscheint mir eigenartig décousu .«
    Plötzlich warf sich Linda in seine Arme und sagte voller Leidenschaft: »Lassen Sie mich nie, nie zu ihnen zurückgehen.«
    »Aber, meine Liebe – Sie lieben sie doch. Mami und Pa, Matt und Robin und Victoria und

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