Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
spanischen Genossen zu verlassen, um sich der Schlacht gegen den Faschismus an einer anderen Front wieder anzuschließen. Matt trat in Onkel Matthews altes Regiment ein, und wie man hörte, ging er seinen Offizierskollegen in der Messe schrecklich auf die Nerven mit der These, die ganze Ausbildung der Infanterie sei völlig verfehlt, und bei der Schlacht am Ebro hätten sie es so und so gemacht. Endlich fiel seinem Oberst, der ein etwas hellerer Kopf war als die anderen, die naheliegende Erwiderung ein, nämlich: »Aber verloren habt ihr trotzdem!« Damit war Matt in Sachen Taktik zwar der Mund gestopft, dafür konnte er sich nun umso besser über statistische Fragen verbreiten – »dreißigtausend Deutsche und Italiener, fünfhundert deutsche Flugzeuge« und so weiter –, was fast ebenso langweilig war.
Linda hörte nichts mehr von Jacqueline, und mit der Zeit vergaß sie, wie sehr die wenigen zufällig im Ritz aufgeschnappten Worte sie bestürzt hatten. Immer wieder sagte sie sich, dass niemand wirklich weiß, wie es im Herzen eines Mannes aussieht, auch nicht, und vielleicht am allerwenigsten, seine Mutter, und dass in der Liebe vor allem die Taten zählen. Fabrice hatte gar keine Zeit für zwei Frauen, jede freie Minute verbrachte er bei ihr, und das allein beruhigte sie schon. Und wie sie ohne ihre Ehen mit Tony und Christian niemals Fabrice kennengelernt hätte, so hätte er niemals Linda kennengelernt, wenn es nicht diese Affäre gegeben hätte: Denn zweifellos hatte er Jacqueline an der Gare du Nord zum Zug gebracht, als er Linda weinend auf ihrem Koffer fand. Und wenn sie sich in Jacquelines Lage versetzte, wurde ihr sofort klar, um wie viel vorteilhafter ihre eigene war: Die wirklich gefährliche Rivalin war jedenfalls nicht Jacqueline, sondern jene nebelhafte, tugendreine Gestalt aus der Vergangenheit, Louise. Immer wenn Fabrice den sachlichen Praktiker ein wenig zurücktreten ließ und den Romantiker hervorkehrte, kam er auf seine fiancée zu sprechen, erging sich in sanfter Traurigkeit über ihre Schönheit, ihre edle Abstammung, ihre riesigen Besitzungen und ihren religiösen Wahn. Einmal äußerte Linda die Vermutung, wenn die fiancée länger gelebt hätte und seine Frau geworden wäre, dann wäre sie vielleicht gar nicht besonders glücklich geworden.
»All diese Klettertouren«, sagte sie, »in anderer Leute Schlafzimmerfenster – hätte sie das nicht empört?«
Fabrice warf ihr einen zutiefst erschrockenen, vorwurfsvollen Blick zu: Mit den Klettertouren hätte es dann für immer ein Ende gehabt, sagte er, hinsichtlich der Ehe hege er die allerhöchsten Ideale, und sein ganzes Leben würde er der Aufgabe gewidmet haben, Louise glücklich zu machen. Linda spürte den Tadel, aber völlig überzeugt war sie nicht.
Die ganze Zeit über hatte Linda die Baumwipfel aus ihrem Fenster beobachtet. Seit sie in die Wohnung gezogen war, hatten sie sich verändert: zuerst hellgrün vor einem hellblauen Himmel, dann dunkelgrün vor einem blauvioletten Himmel, schließlich gelb vor einem tiefblauen Himmel, und nun ragten die schwarzen Astgerippe in einen maulwurfsgrauen Himmel, der Weihnachtstag war gekommen. Die Fenster konnte man jetzt nicht so weit öffnen, dass die Scheiben ganz versanken, aber immer wenn die Sonne hervorkam, schien sie in Lindas Zimmer, und stets war die Wohnung warm wie ein Toast. An diesem Weihnachtsmorgen kam Fabrice ganz unerwartet, noch bevor sie aufgestanden war. Er hatte die Arme voller Pakete, und bald war der Fußboden mit einem Gewoge von Seidenpapier bedeckt, zwischen dem, wie Wrackteile und Seeungeheuer in einem seichten Meer, Pelzmäntel, Hüte, echte Mimosen und künstliche Blumen, Federn, Parfüm, Handschuhe, Strümpfe, Unterwäsche und eine junge Bulldogge zum Vorschein kamen.
Linda hatte für die zwanzigtausend Francs von Lord Merlin einen winzigen Renoir gekauft, um ihn Fabrice zu schenken: fünfzehn Zentimeter Küste, ein Fleckchen strahlendes Blau, das sich in seinem Zimmer in der Rue Bonaparte einfach gut machen würde. Für Fabrice Geschenke zu kaufen war äußerst schwierig, er besaß eine größere Kollektion von Schmuckstücken, Raritäten und allem möglichen Schnickschnack als jeder andere aus ihrem Bekanntenkreis. Aber der Renoir entzückte ihn, nichts, so sagte er, hätte ihm mehr Freude machen können, und Linda spürte, dass er es ernst meinte.
»Wie kalt es heute ist«, sagte er. »Ich war in der Kirche.«
»Fabrice, wie können Sie in die Kirche
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