Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
erzählt er von Dünkirchen?«
»Er sagt, es war wie in einem Abenteuerroman – er fand es offenbar sehr spannend.«
»Das fanden sie alle. Die Jungs waren gestern hier – solche Geschichten hast du noch nie gehört! Natürlich war ihnen nie ganz klar, wie aussichtslos ihre Lage war, bis sie an die Küste kamen. Oh, ist es nicht wunderbar, dass wir sie wieder bei uns haben. Wenn – wenn man nur wüsste, was aus den französischen Freunden, die man so hatte, geworden ist.« Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu, und ich glaubte schon, sie würde mir von ihrem Leben erzählen, aber dann überlegte sie es sich anders und machte sich wieder ans Auspacken.
»Ich muss diese Wintersachen nachher doch wieder in den Koffern verstauen«, sagte sie. »Ich habe in den Schränken einfach nicht genug Platz dafür, aber auf diese Weise habe ich wenigstens etwas zu tun, und es macht Spaß, sie wieder einmal zu sehen.«
»Du solltest sie ausschütteln und in die Sonne legen«, sagte ich. »Sie sind vielleicht ein wenig klamm und feucht.«
»Liebling, du bist wunderbar, du weißt immer Bescheid.«
»Woher hast du das Hündchen?«, fragte ich neidisch. Seit Jahren wünschte ich mir eine Bulldogge, aber Alfred war dagegen, weil sie so schnarchen.
»Den habe ich mitgebracht. Er ist der netteste Welpe, den ich je hatte, und so gehorsam, das kannst du dir gar nicht vorstellen!«
»Und wie war das mit der Quarantäne?«
»Unter dem Mantel«, antwortete Linda lakonisch. »Du hättest hören sollen, wie er knurrte und schnaufte – dass die Wände wackelten –, ich hatte schreckliche Angst, aber dann war er so brav. Er rührte sich nicht. Übrigens, da wir gerade beim Thema Welpen sind: Diese abscheulichen Kroesigs wollen Moira nach Amerika schicken, ist das nicht typisch? Ich hatte ein Riesentrara mit Tony, damit ich sie noch einmal sehen kann, bevor sie fährt, immerhin bin ich ihre Mutter.«
»Das habe ich nie an dir verstanden, Linda.«
»Was?«
»Wie du dich gegenüber Moira so abscheulich verhalten konntest.«
»Langweilig«, meinte Linda, »uninteressant.«
»Ich weiß, aber die Sache ist doch die: Kinder sind tatsächlich wie Welpen; wenn man sich um die Welpen nie kümmert, wenn man sie dem Pferdeknecht oder dem Wildhüter zum Großziehen überlässt, dann werden sie eben langweilig und uninteressant. Mit Kindern ist es das Gleiche – man muss ihnen viel mehr schenken als nur das Leben, wenn aus ihnen etwas werden soll. Arme kleine Moira – das Einzige, was du ihr geschenkt hast, war dieser hässliche Name.«
»Ach, Fanny, das weiß ich doch. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, ich hatte immer so eine Ahnung, dass ich Tony davonlaufen würde, früher oder später, und ich wollte nicht, dass ich sie zu sehr liebgewinne oder dass sie mich zu sehr liebgewinnt. Sie hätte zur Fessel werden können, und ich wollte einfach nicht das Risiko eingehen, mich an die Kroesigs zu binden.«
»Arme Linda.«
»Oh, nur kein Mitleid! Ich habe elf Monate vollkommenen, ungetrübten Glücks hinter mir, und ich denke, es gibt nur sehr wenige Menschen, die das von sich sagen können, auch wenn sie noch so lange leben.«
Das dachte ich auch. Alfred und ich sind glücklich, so glücklich, wie Eheleute sein können. Wir lieben uns, wir passen geistig und körperlich in jeder Hinsicht zueinander, wir sind gerne beisammen, wir haben keine Geldprobleme und drei entzückende Kinder. Und doch, wenn ich mein Leben genau betrachte, Tag für Tag und Stunde für Stunde, dann scheint es aus einer unausgesetzten Folge von Widrigkeiten zu bestehen. Kindermädchen, Köchinnen, die endlose Schinderei im Haushalt, der entnervende Lärm und die ermüdenden, ständig sich wiederholenden Unterhaltungen mit kleinen Kindern, ihre gänzliche Unfähigkeit, sich selbst zu beschäftigen, ihre plötzlichen erschreckenden Krankheiten, Alfreds nicht seltene Anwandlungen von schlechter Laune, die Art, wie er beim Essen unweigerlich über den Pudding meckert, und dass er immer meine Zahnpasta benutzt und die Tube immer in der Mitte zusammendrückt. Aus solchen Dingen besteht die Ehe, das Vollkornbrot des Lebens, grob geschrotet, einfach, aber nahrhaft; aber Linda hatte sich von Honig ernährt, einer völlig unvergleichlichen Speise.
Die alte Frau, die mir geöffnet hatte, kam herein und fragte, ob noch etwas zu tun sei, sie würde sonst nach Hause gehen.
»Nein, nichts«, sagte Linda. »Das war Mrs. Hunt«, erklärte sie mir, als die Frau gegangen war.
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