Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
versprochen hatte? Ein netter Bewegungskrieg!
Der Diener erklärte, Monsieur le Duc sei soeben mit Madame la Duchesse ausgegangen, werde aber in einer Stunde zurück sein. Linda sagte, sie wolle warten, und er führte sie in das Wohnzimmer von Fabrice. Sie nahm ihren Hut ab und ging unruhig hin und her. Zusammen mit Fabrice war sie schon einige Male hier gewesen, und nach ihrer sonnenhellen Wohnung kam es ihr immer ein wenig bedrückend vor. Jetzt, da sie allein hier war, begann sie, die außerordentliche Schönheit des Raumes wahrzunehmen, eine schwere, feierliche Schönheit, die sie schließlich ganz in ihren Bann schlug. Der Raum war sehr hoch, ein rechteckiger Grundriss, mit grauer Holztäfelung und kirschroten Brokatvorhängen. Die Fenster gingen auf einen Innenhof, und nie hätte ein Sonnenstrahl in das Zimmer fallen können, das war einfach nicht vorgesehen. Dies war ein kultiviertes Interieur, mit dem Draußen hatte es nichts zu tun. Jedes Ding hier drinnen war vollkommen. Das Mobiliar hatte die strengen Umrisse und die großartigen Proportionen von 1780, dann gab es das Porträt einer Dame mit einem Papagei auf der Hand von Lancret, eine Büste derselben Dame von Bouchardon, einen Teppich wie in Lindas Wohnung, aber größer und noch imposanter, mit einem gewaltigen Wappen in der Mitte. Ein hoher, mit Schnitzereien verzierter Bücherschrank enthielt nur französische Klassiker, gebunden in zeitgenössisches Maroquin, mit dem Familienwappen der Sauveterre, und aufgeschlagen auf einem Kartentisch lag ein Exemplar von Redoutés Mappe Les roses.
Linda war jetzt sehr viel ruhiger, aber zugleich auch sehr traurig. Sie erkannte, dass dieser Raum für eine Seite von Fabrices Charakter stand, die ihr fast völlig unzugänglich geblieben war und die in der grandeur der alten französischen Zivilisation wurzelte. Das war der eigentliche Fabrice, etwas, an dem sie niemals Anteil haben würde – immer würde sie draußen bleiben, in ihrer sonnigen, modernen Wohnung, ferngehalten von alledem, ausgeschlossen, auch wenn ihre Liaison dauern würde. Die Ursprünge der Familie Radlett verloren sich in den Nebeln des Altertums, die Ursprünge von Fabrices Familie hingegen verloren sich nicht, hier waren sie, jede Generation klammerte sich an die folgende. Die Engländer, so ging ihr durch den Kopf, stoßen ihre Vorfahren von sich. Das ist die große Stärke unserer Aristokratie, aber Fabrice hat die seinen am Hals, und nie wird er sie loswerden.
Langsam begriff sie, dass hier ihre wirklichen Widersacher, ihre Feinde waren und dass Jacqueline im Vergleich mit ihnen nichts bedeutete. Hier und im Grab von Louise. Hierherzukommen und wegen einer anderen Geliebten eine Szene zu machen war völlig sinnlos, so als würde sich ein Nichts über ein anderes Nichts beklagen. Fabrice wäre verärgert, wie alle Männer in solchen Situationen, und ihr würde keine Genugtuung zuteil. Sie konnte seine spröde, sarkastische Stimme hören: »Ah! Vous me grondez, madame?«
Es war besser, zu gehen und die ganze Sache zu ignorieren. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass es ihr gelang, alles so zu erhalten, wie es jetzt war, das Glück festzuhalten, das sie Tag für Tag und Stunde für Stunde genoss, und nicht an die Zukunft zu denken. Die Zukunft hatte ihr nichts zu bieten, also nicht daran rühren. Außerdem war die Zukunft aller Menschen in Gefahr, jetzt, da der Krieg bevorstand, dieser Krieg, den sie immer wieder vergaß.
Doch sie wurde an ihn erinnert, als Fabrice an diesem Abend in Uniform erschien.
»Ich schätze, noch ein Monat«, sagte er. »Sobald sie die Ernte eingefahren haben.«
»Wenn die Engländer zu entscheiden hätten«, meinte Linda, »würden sie warten, bis sie ihre Weihnachtseinkäufe erledigt haben. Ach, Fabrice, er wird doch nicht lange dauern, oder?«
»Solange er dauert, wird er jedenfalls sehr unangenehm«, antwortete Fabrice. »Waren Sie heute bei mir zu Hause?«
»Ja, nach dem Mittagessen mit diesen beiden Brummbären hatte ich plötzlich das Gefühl, ich müsste Sie unbedingt sehen.«
»Comme c’est gentil«, er warf ihr einen seltsamen Blick zu, so als sei ihm plötzlich etwas eingefallen, »und warum haben Sie nicht gewartet?«
»Ihre Vorfahren haben mich verscheucht.«
»Ach, wirklich? Aber soviel ich weiß, haben Sie selbst doch auch Vorfahren, madame ?«
»Die machen sich aber nicht so breit wie die Ihren.«
»Sie hätten warten sollen«, sagte Fabrice, »es ist immer ein außerordentliches
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