Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Vergnügen, Sie zu sehen, sowohl für mich als auch für meine Vorfahren. Es muntert uns ungemein auf.«
Germaine kam herein, den Arm voller Blumen und einen Brief von Lord Merlin in der Hand: »Hier ein paar Kohlen für Newcastle. Wir tuckern jetzt mit der Fähre heimwärts. Ob ich Davey lebend nach Hause bringen werde? Was meinen Sie? Ich lege etwas bei, das vielleicht eines Tages nützlich sein könnte.«
Es war eine Geldanweisung über zwanzigtausend Francs.
»Ich muss schon sagen«, meinte Linda, »trotz seiner hartherzigen Augen – er denkt wirklich an alles.«
Nach den Ereignissen dieses Tages überließ sie sich jetzt ihren Gefühlen. »Sagen Sie, Fabrice, was haben Sie in dem Augenblick gedacht, als Sie mich zum ersten Mal sahen?«
»Wenn Sie es wirklich wissen wollen, ich dachte: ›Tiens, elle ressemble a la petite Bosquet.‹«
»Wer ist denn das?«
»Es gibt zwei Schwestern Bosquet, die Ältere ist eine Schönheit, und die Kleine ähnelt Ihnen.«
»Merci beaucoup«, sagte Linda. »J’aimerais autant ressembler à l’autre.«
Fabrice lachte. »Ensuite, je me suis dit, comme c’est amûsant, le côté démodé de tout ça …«
Als der Krieg, der schon so lange drohte, ungefähr sechs Wochen später tatsächlich ausbrach, berührte das Linda seltsamerweise kaum. Sie lebte ganz in der Gegenwart, lebte ihr eigenes zukunftsloses, losgelöstes Dasein, das ihr ohnedies schon so gefährdet und schwankend erschien: Äußere Ereignisse drangen kaum in ihr Bewusstsein vor. Der Gedanke, dass der Krieg tatsächlich angefangen hatte, erleichterte sie fast ein wenig, insofern der Anfang ja auch der erste Schritt zum Ende ist. Dass er nur der Form nach, aber noch nicht wirklich begonnen hatte, fiel ihr gar nicht auf. Hätte der Krieg ihr Fabrice entführt, dann hätte sie gewiss eine ganz andere Haltung eingenommen, aber seine Arbeit – für den Geheimdienst – brachte es mit sich, dass er meist in Paris war. Sie sah ihn sogar häufiger als früher, denn er zog nun zu ihr in die Wohnung, nachdem er seine eigene verschlossen und seine Mutter aufs Land geschickt hatte. Zu allen möglichen und unmöglichen Tages- und Nachtzeiten tauchte er auf oder verschwand wieder, und da sein Anblick für Linda eine ständige Freude war, da sie sich keine größere Seligkeit vorstellen konnte als jene, die sie immer empfand, wenn sich in den leeren Raum vor ihren Augen seine Gestalt schob, versetzten diese plötzlichen Auftritte sie in eine dauernde glückliche Spannung und trieben die Beziehung zwischen ihr und Fabrice auf den höchsten Punkt.
Seit Daveys Besuch bekam Linda Briefe von ihren Angehörigen. Davey hatte Tante Sadie ihre Adresse gegeben und ihr erzählt, Linda arbeite in Paris beim militärischen Hilfsdienst: zum Wohle der französischen Armee, so hatte er sich ausgedrückt – etwas unbestimmt, aber ein Körnchen Wahrheit steckte ja darin. Tante Sadie war darüber erfreut, sie fand es sehr löblich, dass Linda so schwer arbeitete (manchmal die ganze Nacht hindurch, hatte Davey gesagt), und war froh zu hören, dass sie sich ihren Lebensunterhalt selbst verdiente. Die Arbeit freiwilliger Helfer und Helferinnen war ja oft so unbefriedigend und brachte wenig ein. Onkel Matthew fand es zwar schade, dass sie für Ausländer arbeitete, und bedauerte, dass seine Kinder so erpicht darauf waren, die Weltmeere zu überqueren, aber auch er war entschieden für den militärischen Hilfsdienst. Er selbst ärgerte sich fast schwarz darüber, dass das Kriegsministerium nicht imstande war, ihm eine Gelegenheit zur Wiederholung seiner Großtat mit dem Schanzspaten zu verschaffen oder überhaupt irgendeine Aufgabe, und lief herum wie ein Bär mit Kopfschmerzen, erfüllt von der unbefriedigten Sehnsucht, für König und Vaterland zu kämpfen.
Ich schrieb Linda und berichtete ihr von Christian, der nach London zurückgekommen war, die Kommunistische Partei verlassen hatte und Soldat geworden war. Auch Lavender war wieder da; sie arbeitete jetzt beim A. T. S., dem weiblichen Hilfsdienst der englischen Armee.
Christian interessierte sich überhaupt nicht dafür, was aus Linda geworden war, auch wollte er sich anscheinend nicht von ihr scheiden lassen oder Lavender heiraten. Er hatte sich mit Haut und Haaren der Armee verschrieben und dachte an nichts anderes als den Krieg.
Bevor er Perpignan verließ, hatte er Matt aus dessen Truppe herausgeholt. Unter Einsatz seiner ganzen Überredungskunst hatte er ihn dazu gebracht, die
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