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Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)

Titel: Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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Fall rechtzeitig, um Sie nach Le Bourget zu bringen. Kommen Sie«, fügte er hinzu, »gerade noch Zeit für ein bisschen militärischen Hilfsdienst.« In diesem Augenblick war er ganz der nüchterne Praktiker und nicht im Mindesten romantisch.
    Als er zurückkehrte, wirkte er so gedankenverloren wie noch nie. Linda wartete auf ihn, ihr Koffer war gepackt, sie trug das blaue Kleid, in dem er sie zuerst gesehen hatte, und hatte ihren alten Nerzmantel über den Arm gelegt.
    »Tiens«, sagte Fabrice, der immer sogleich bemerkte, was sie anhatte, »was ist denn das hier? Ein Kostümball?«
    »Fabrice, Sie müssen verstehen, dass ich die Sachen nicht mitnehmen kann, die Sie mir geschenkt haben. Ich habe sie sehr gern getragen, solange ich hier war und solange es Ihnen Vergnügen machte, mich in ihnen zu sehen, aber schließlich habe ich auch meinen Stolz. Je n’étais quand même pas élevée dans un bordel.«
    »Ma chère, seien Sie doch nicht so bürgerlich, das steht Ihnen überhaupt nicht. Es ist keine Zeit zum Umziehen mehr … aber warten Sie …« Er eilte in ihr Schlafzimmer und kam mit einem langen Zobelpelz zurück, einem seiner Weihnachtsgeschenke. Er nahm ihren Nerzmantel, rollte ihn zusammen, warf ihn in den Papierkorb und legte ihr stattdessen den anderen über den Arm.
    »Germaine wird Ihnen Ihre Sachen nachschicken«, sagte er. »Kommen Sie jetzt, wir müssen gehen.«
    Linda verabschiedete sich von Germaine, nahm ihre junge Bulldogge auf den Arm, folgte Fabrice zum Aufzug und hinaus auf die Straße. Sie begriff nicht wirklich, dass sie dieses glückliche Leben nun für immer hinter sich ließ.

19
    Daheim am Cheyne Walk begriff sie anfangs immer noch nicht. Gewiss, die Welt war grau und kalt, die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, aber nur für eine gewisse Zeit: Sie würde wieder hervorkommen, und bald würde sich Linda wieder in Wärme und Licht hüllen können, die sie so wohlig durchrieselt hatten – es war doch noch so viel Blau am Himmel, gewiss würde das Wölkchen vorüberziehen. Aber die Wolke, die zunächst so klein ausgesehen hatte, wurde, wie es zuweilen geschieht, größer und größer, bis sie zuletzt als riesiges graues Laken den ganzen Horizont zudeckte. Jetzt kamen die schlimmen Nachrichten, die schrecklichen Tage, die unvergesslichen Wochen. Eine stählerne Schreckensmaschinerie wälzte sich über Frankreich hinweg auf England zu, überrollte die armseligen Menschenwesen, die sich ihr entgegenstemmten, überrollte Fabrice, Germaine, die Wohnung und die vergangenen Monate von Lindas Leben, überrollte Alfred, Bob, Matt und den kleinen Robin und rückte immer näher, um uns alle unter sich zu begraben. Ungeniert weinten die Londoner in den Bussen und auf den Straßen über die englische Armee, die verloren war.
    Doch eines Tages war die englische Armee plötzlich wieder da. Ein Gefühl unendlicher Erleichterung breitete sich aus, als wäre der Krieg schon vorbei und gewonnen. Alfred, Bob, Matt, der kleine Robin, sie alle tauchten auf, und als auch viele Franzosen eintrafen, kam in Linda die unbändige Hoffnung auf, Fabrice könnte unter ihnen sein. Den ganzen Tag saß sie beim Telefon, und wenn es klingelte und Fabrice war nicht am anderen Ende der Leitung, dann war sie wütend auf den unglücklichen Anrufer – ich weiß es, denn ich habe es selbst erlebt. Sie war so wütend, dass ich wieder auflegte und sofort zu ihr fuhr.
    Sie packte gerade einen riesigen Schrankkoffer aus, der soeben aus Frankreich eingetroffen war. Ich hatte sie noch nie so schön gesehen. Mir stockte der Atem, und dann fiel mir ein, dass Davey nach seiner Rückkehr aus Paris erzählt hatte, Linda habe das Versprechen ihrer Kindheit nun endlich wahrgemacht und sei eine Schönheit geworden.
    »Kannst du dir vorstellen, wie dieser Kasten hierhergekommen ist?«, fragte sie zwischen Tränen und Lachen. »Was für ein eigenartiger Krieg. Die Leute von der Southern Railway haben ihn eben gebracht, ich habe unterschrieben, und fertig, als wäre nichts geschehen – ich begreife das nicht. Was tust du in London, Liebling?«
    Sie hatte anscheinend ganz vergessen, dass sie vor einer halben Stunde mit mir telefoniert und mir dabei fast den Kopf abgebissen hatte.
    »Ich bin mit Alfred hier. Er muss sich neu ausrüsten und mit allen möglichen Leuten reden. Ich glaube, er geht bald wieder ins Ausland.«
    »Ungeheuer anständig von ihm«, sagte Linda, »dabei hätte er doch gar nicht zur Armee gemusst, nehme ich an. Was

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