Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
Fanny. Was ist denn?«
»Fabrice, ich will immer bei Ihnen bleiben, solange ich lebe.«
»Aha! Aber Sie wissen, dass Sie mich wahrscheinlich verlassen müssen, und zwar schon bald. Der Krieg fängt demnächst an, wissen Sie.«
»Warum kann ich nicht bleiben? Ich könnte arbeiten – ich könnte Krankenschwester werden – na ja, vielleicht nicht Krankenschwester, aber irgendetwas anderes.«
»Wenn Sie versprechen, zu tun, was ich sage, können Sie noch eine Zeit lang hier bleiben. Zu Anfang werden wir nur dasitzen und die Deutschen über die Maginotlinie hinweg anstarren, ich werde dann viel in Paris sein, unterwegs zwischen Paris und der Front, aber meistens hier. Ich möchte Sie in dieser Zeit hier haben. Danach allerdings wird einer, wir oder die Deutschen, aber ich fürchte sehr, es werden die Deutschen sein, die Linie durchbrechen, und es beginnt ein Bewegungskrieg. Ich werde von dieser étape frühzeitig erfahren, und Sie müssen mir versprechen, dass Sie in dem Augenblick, in dem ich es Ihnen sage, nach London abreisen, auch wenn Sie gar keinen Grund dazu sehen. Es würde mich bei der Erfüllung meiner Aufgaben unsäglich behindern, wenn Sie dann noch hier wären. Wollen Sie mir das also jetzt hoch und heilig versprechen?«
»Gut«, sagte Linda. »Hoch und heilig. Ich glaube zwar nicht, dass etwas so Furchtbares geschehen kann, aber ich verspreche es. Versprechen Sie mir zum Ausgleich dafür, dass Sie nach London kommen und mich holen, sobald alles vorüber ist! Versprochen?«
»Ja«, sagte Fabrice, »versprochen.«
Beim Luncheon mit Davey und Lord Merlin herrschte eine gedrückte Stimmung. Jeder war mit sich selbst beschäftigt. Die beiden Männer hatten einen langen, lustigen Abend bei ihren literarischen Freunden hinter sich – man sah es ihnen deutlich an. Davey verspürte erste Anzeichen einer äußerst schmerzhaften Dyspepsie, während Lord Merlin unter einem ganz gewöhnlichen Kater schwer zu leiden hatte, und als er seine Brille abnahm, blickte er überhaupt nicht freundlich drein. Aber am elendesten von den dreien war Linda zumute, sie war völlig durcheinander, weil sie im Foyer zufällig mit angehört hatte, wie sich zwei französische Damen über Fabrice unterhielten. Mit ihrer gewohnten Pünktlichkeit, die ihr Onkel Matthew eingehämmert hatte, war sie zu früh dagewesen. Fabrice hatte sie nie ins Ritz geführt, sie fand es wunderbar; sie wusste, dass sie genauso hübsch und fast so gut gekleidet war wie alle hier, und nahm munter Platz, um auf die anderen zu warten.
Da hörte sie plötzlich, und es versetzte ihr einen Stich ins Herz, wie man ihn spürt, wenn der Name dessen, den man liebt, von fremden Leuten genannt wird: »Und haben Sie denn Fabrice in letzter Zeit gesehen?«
»Doch ja, ich treffe ihn recht oft bei Mme de Sauveterre, aber er geht ja niemals aus, wie Sie wissen.«
»Was ist denn mit Jacqueline?«
»Noch immer in England. Er weiß sich gar nicht zu lassen ohne sie, der arme Fabrice, wie ein Hund, der nach seinem Herrn Ausschau hält. Er sitzt traurig zu Hause, geht nicht in Gesellschaft, geht nie in den Klub, trifft sich mit niemandem. Seine Mutter macht sich seinetwegen richtige Sorgen.«
»Wer hätte gedacht, dass Fabrice so treu sein würde? Wie lange geht das jetzt schon?«
»Fünf Jahre, glaube ich. Eine wirklich glückliche ménage.«
»Jacqueline kommt sicherlich bald zurück.«
»Nicht bevor die alte Tante gestorben ist. Anscheinend ändert sie ständig ihr Testament, und Jacqueline hält es für ratsam, die ganze Zeit über bei ihr zu bleiben – schließlich muss sie an ihren Mann und die Kinder denken.«
»Ziemlich hart gegenüber Fabrice, wie?«
»Qu’est-ce que vous voulez? Seine Mutter sagt, er ruft sie jeden Morgen an und unterhält sich eine Stunde mit ihr …«
In diesem Augenblick tauchten Davey und Lord Merlin auf, erschöpft und mürrisch dreinblickend, und entführten Linda zum Luncheon. Gern wäre sie noch geblieben, um mehr von diesem peinigenden Gespräch mit anzuhören, aber einen Cocktail lehnten die beiden schaudernd ab und drängten stattdessen zum Speisesaal, wo sie nur halbwegs freundlich zu Linda und rundweg unfreundlich zueinander waren.
Die Mahlzeit kam ihr endlos vor, und als sie schließlich doch zu Ende ging, warf sie sich in ein Taxi und fuhr zum Haus von Fabrice. Sie musste herausfinden, was mit Jacqueline war, sie musste wissen, was er vorhatte. Wenn Jacqueline zurückkehrte, sollte dann sie, Linda, abreisen, wie sie es
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