Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
ich wäre Fabrice schon damals begegnet) gutgegangen wäre, denn ich war in jener Zeit sehr boshaft. Worauf es wirklich ankommt, wenn es in einer Ehe gutgehen soll, ohne viel Liebe, sind eine sehr, sehr große Freundlichkeit – gentillesse – und vollendete Umgangsformen. Zu Tony war ich nie gentille , oft war ich fast unhöflich, und sehr bald nach unseren Flitterwochen wurde ich geradezu unausstehlich. Ich schäme mich, wenn ich jetzt daran denke. Aber der arme, alte Tony war so gutmütig, schnappte nie zurück, fand sich jahrelang mit allem ab, und dann spazierte er einfach zu Pixie hinüber. Ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Von Anfang bis Ende war es mein Fehler.«
»Na ja, freundlich war er doch eigentlich gar nicht, Liebling. Ich finde, du solltest dir keine allzu großen Vorwürfe machen, denk daran, wie er sich jetzt verhält.«
»Ach, er hat den schwächsten Charakter auf der ganzen Welt, Pixie und seine Eltern haben ihn dazu gebracht. Wenn er noch mit mir verheiratet wäre, würde er jetzt Offizier im Gardekorps sein, das wette ich.«
An eines dachte Linda nie, dessen bin ich mir sicher, an die Zukunft. Eines Tages würde das Telefon klingeln, und es würde Fabrice sein – weiter dachte sie nicht. Ob er sie heiraten würde, was aus dem Kind werden sollte, solche Fragen machten ihr nicht nur keine Sorgen, sie kamen ihr anscheinend niemals in den Sinn. Mit ihren Gedanken lebte sie ganz in der Vergangenheit.
»Es ist ziemlich traurig«, sagte sie eines Tages, »einer verlorenen Generation anzugehören, wie wir es tun. Ich bin überzeugt, in der Geschichtsschreibung werden die beiden Kriege später als einer gelten, wir geraten dazwischen und werden aufgerieben, und man wird vergessen, dass es uns jemals gegeben hat. Es ist, als ob wir nie gelebt hätten, ich finde, das ist wirklich ein Jammer.«
»Vielleicht werden wir zu einer literarischen Kuriosität«, meinte Davey. Zitternd vor Kälte kroch er manchmal zu uns in den Wäscheschrank der Hons, um sich ein wenig aufzuwärmen, bevor er sich wieder an seinen Schreibtisch begab. »Die Leute werden sich aus lauter falschen Gründen dafür interessieren und Frisiertischutensilien von Lalique sammeln oder mit Chagrinleder bezogene Dosen oder Cocktailschränke, die mit Spiegeln ausgekleidet sind, und sie werden sich sehr darüber amüsieren. Oh, gut«, sagte er, während er aus dem Fenster spähte, »Juan, dieser Prachtkerl, bringt wieder einen Fasan.«
(Juan besaß ein unschätzbares Talent, im Umgang mit der Steinschleuder war er Experte. In seiner Freizeit – woher er diese Freizeit nahm, war ein Rätsel, aber er hatte sie – stapfte er mit dieser Waffe ständig im Wald oder unten am Fluss herum. Da er ein unfehlbarer Schütze war und sich durch keinerlei Jagdverbote gehemmt fühlte – es war Juan völlig gleichgültig, dass es für Fasane und Hasen eine Schonzeit gab und dass der Schwan dem König gehörte –, zeitigten diese Streifzüge im Hinblick auf Speisekammer und Suppentopf immer ausgezeichnete Ergebnisse. Wenn Davey es sich wirklich gut schmecken lassen wollte, dann sprach er, halb zu sich selbst, eine Art Tischgebet, das folgendermaßen begann: »Gedenket unserer Mrs. Beecher und ihrer Tomatensuppe aus der Büchse.«
Dem unglücklichen Craven bereiteten Juans Umtriebe verständlicherweise die größten Qualen, in seinen Augen waren sie kaum besser als Wilderei. Aber der arme Mann stand ganz unter der Fuchtel von Onkel Matthew, und wenn er nicht Wache schob oder Baumstämme zur Straße schaffte, um dort Panzersperren zu errichten, dann war er bei der Parade. Der Glanz von Onkel Matthews Paraden war im Grafschaftsbezirk sprichwörtlich. Als Ausländer war Juan von diesen Aktivitäten zum Glück ausgeschlossen und konnte seine ganze Zeit darauf verwenden, uns das Leben angenehm zu machen, was ihm auch hervorragend gelang.)
»Ich will keine literarische Kuriosität sein«, sagte Linda. »Ich will einer bedeutenden Generation angehört haben. 1911 geboren zu sein ist einfach grässlich.«
»Mach dir nichts draus, Linda, aus dir wird mal eine wunderbare alte Dame.«
»Und aus dir ein wunderbarer alter Herr«, meinte Linda.
»Oh, aus mir? Ich fürchte, ich werde nicht alt«, erwiderte Davey in einem Ton, aus dem höchste Zufriedenheit sprach.
Er hatte tatsächlich etwas Zeitloses an sich, als könnte er nie altern. Obwohl er gut zwanzig Jahre älter war als wir und nur fünf Jahre jünger als Tante Emily, hatte es immer den Anschein, als
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