Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
stünde er unserer Generation viel näher als der ihren, und er hatte sich überhaupt nicht verändert seit jenem Tag, als er am Kamin in der Halle gestanden und weder wie ein Captain noch wie ein Ehemann ausgesehen hatte.
»Kommt, ihr Lieben, Tee, und zufällig weiß ich, dass Juan eine Torte gebacken hat, also gehen wir lieber, bevor die Hopse alles verputzt hat.«
Davey trug während der Mahlzeiten eine heftige Fehde mit der Hopse aus. Ihre Manieren bei Tisch waren nie die besten gewesen, aber einige ihrer Angewohnheiten, zum Beispiel, Marmelade mit einem Löffel zu essen, den sie dann wieder in das Marmeladenglas zurückstellte, oder ihre Zigarette in der Zuckerschale auszudrücken, brachten den armen Davey, der die Lebensmittelknappheit nie vergaß, so in Rage, dass er sie in scharfem Ton anfuhr, wie eine Gouvernante ein außer Rand und Band geratenes Kind.
Er hätte sich die Mühe ersparen können. Die Hopse nahm einfach nicht zur Kenntnis, was er sagte, und verdarb weiterhin Lebensmittel mit der größten Unbekümmertheit.
»Lippling«, sagte sie nur, »was macht es schon, mein goldiger Hu-arn hat noch viel, viel mehr in seinem Ärmelchen, das verspreche ich dir.«
Zu dieser Zeit nahm die Angst vor einer Invasion geradezu panische Züge an. Die Ankunft der Deutschen, versehen mit allem, was Fallschirmjäger brauchen, um sich als Priester, Balletttänzer oder sonstwie zu tarnen, wurde täglich erwartet. Irgendein unfreundlicher Zeitgenosse setzte in Umlauf, sie würden so aussehen wie Mrs. Davis in der Uniform des Women’s Voluntary Service. Diese Frau hatte ein solches Talent, überall gleichzeitig zu sein, dass es schon jetzt den Anschein hatte, als würden sich ein Dutzend Mrs. Davis mit ihren Fallschirmen im Land herumtreiben. Onkel Matthew nahm die Invasionsgefahr außerordentlich ernst, und eines Tages versammelte er uns alle im Geschäftszimmer und erklärte in allen Einzelheiten, was er von jedem von uns erwartete.
»Ihr Frauen müsst mit den Kindern während der Kämpfe in den Keller«, sagte er, »ein ausgezeichneter Wasserhahn ist vorhanden, und ich habe euch mit Rinderpökelfleisch für eine Woche verproviantiert. Jawohl, vielleicht müsst ihr mehrere Tage dort ausharren, lasst euch das gesagt sein.«
»Nanny wird das nicht gefallen«, begann Louisa, wurde aber durch einen wütenden Blick zum Schweigen gebracht.
»Da wir gerade beim Thema Nanny sind«, fuhr Onkel Matthew fort, »ich warne euch, es kommt überhaupt nicht infrage, dass ihr mit euren Kinderwagen die Straßen verstopft, verstanden, eine Evakuierung gibt es unter gar keinen Umständen. Nun gibt es da noch eine sehr wichtige Aufgabe, und die möchte ich dir, Davey, anvertrauen. Ich weiß, alter Junge, es macht dir nichts aus, wenn ich sage, dass du als Schütze nicht viel taugst – du weißt ja, mit Munition sind wir knapp, und was wir haben, darf unter keinen Umständen vergeudet werden, jede Kugel muss sitzen. Deshalb werde ich dir kein Gewehr geben, jedenfalls nicht zu Anfang. Aber ich habe eine Zündschnur und eine Ladung Dynamit beschafft – ich zeige sie dir nachher –, und ich will, dass du für mich die Vorratskammer hochgehen lässt.«
»Aladin in die Luft sprengen?« Davey erbleichte. »Matthew, du musst verrückt sein.«
»Ich würde es Tschuahn machen lassen, ich mag den alten Tschuahn inzwischen ja ganz gern, aber so recht traue ich dem Burschen doch nicht. Einmal Ausländer, immer Ausländer, wenn ihr mich fragt. Jetzt muss ich euch erklären, warum ich dies für einen ganz entscheidenden Teil unserer Operation halte. Wenn Josh und Craven und ich und alle anderen gefallen sind, könnt ihr Zivilisten nur noch auf eine einzige Art und Weise helfen, indem ihr nämlich dem deutschen Heer zur Last fallt. Ihr müsst es ihnen überlassen, euch zu ernähren – keine Angst, sie werden es tun, die wollen keinen Typhus hinter ihren Linien –, aber ihr müsst es ihnen so schwer wie möglich machen. Mit dieser Vorratskammer, ich habe sie mir eben noch mal angesehen, wärt ihr wochenlang versorgt, ach was, das ganze Dorf könnte sich daraus versorgen. Und das wäre ganz falsch. Ihnen die Lebensmittelversorgung überlassen und ihren Nachschub vermasseln, das wollen wir, so schaden wir ihnen am meisten. Mehr könnt ihr nicht tun, bloß lästig sein, deshalb muss die Vorratskammer weg, und Davey muss sie sprengen.«
Davey öffnete den Mund, um noch etwas einzuwenden, aber Onkel Matthew war in einer äußerst grimmigen
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