Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
mich.«
Aber das war nur so dahingesagt, als wüsste sie, dass sie in Wirklichkeit ewig leben würde, und nie erwähnte sie Fabrice oder das Kind, was sie gewiss getan hätte, wenn sie irgendwelche Vorahnungen gehabt hätte.
Louisas Baby, Angus, wurde Anfang April geboren. Es war ihr sechstes Kind, der dritte Junge, und wir beneideten sie aus tiefstem Herzen darum, dass sie es hinter sich hatte.
Am 28. Mai kamen unsere beiden Kinder zur Welt – beides Jungen. Die Ärzte, die Linda gesagt hatten, sie dürfe nie mehr ein Kind bekommen, waren, wie sich zeigte, doch keine Dummköpfe gewesen. Es brachte sie um. Sie starb, wie ich glaube, vollkommen glücklich und hatte nicht viel zu leiden, aber für uns in Alconleigh, für ihren Vater und ihre Mutter, ihre Brüder und Schwestern, für Davey und Lord Merlin erlosch ein Licht, eine Quelle der Freude, die durch nichts zu ersetzen war.
Ungefähr zur gleichen Zeit, als Linda starb, wurde Fabrice von der Gestapo verhaftet und wenig später erschossen. Er war ein Held der Résistance, und um seinen Namen rankt sich in Frankreich heute eine Legende.
Mit Zustimmung Christians, seines rechtmäßigen Vaters, habe ich den kleinen Fabrice adoptiert. Er hat schwarze Augen in der gleichen Form wie Lindas blaue und ist ein sehr schönes, sehr bezauberndes Kind. Ich liebe ihn genauso wie meine eigenen Kinder, und vielleicht sogar mehr.
Die Hopse besuchte mich, als ich noch in der Oxforder Privatklinik lag, in der mein Kind zur Welt gekommen und Linda gestorben war.
»Arme Linda«, meinte sie gerührt, »das arme kleine Ding. Aber Fanny, meinst du nicht, dass es vielleicht doch ganz gut so ist? Das Leben, das Frauen wie Linda und ich führen, ist nicht besonders lustig, wenn man älter zu werden beginnt.«
Ich wollte die Gefühle meiner Mutter nicht mit dem Einwand verletzen, Linda habe nicht zu dieser Art von Frauen gehört.
»Aber ich glaube, mit Fabrice wäre sie glücklich geworden«, sagte ich nur. »Er war die große Liebe in ihrem Leben, weißt du.«
»Ach, Lippling«, sagte meine Mutter. »Das denkt man immer. Jedes, jedes Mal.«
Die Mitfords
Ein Familienroman aus der englischen Aristokratie
Von David Pryce-Jones
Wenn man um 1925 gefragt hätte, wer denn die Mitfords seien, so wäre die Antwort wohl ein verständnisloser Blick gewesen. Die wer? Nur jemand, der sich gut in der britischen Oberschicht auskannte, hätte sagen können: eine alte Familie mit einem makellos langweiligen Stammbaum. Nichtsdestoweniger war ein Mitford weltläufiger Diplomat geworden, Botschafter an den Höfen von Sankt Petersburg und Tokio, ein Freund Giuseppe Garibaldis, Richard Wagners und Eduards VII. Er starb 1916 und war für seine Dienste längst mit dem Titel eines Lord Redesdale belohnt worden. Nur jemand, der in Oxfordshire wohnte, hätte womöglich darüber hinaus zu berichten gewusst, dass der Sohn des verstorbenen Botschafters, auch er ein Lord Redesdale, ganz in der Nähe auf dem Lande lebte und eine Frau und einen ganzen Schwarm Kinder hatte. Genau gesagt, sieben: Nancy, Pamela, Tom, Diana, Unity, Jessica, Debo – damals im Alter zwischen einundzwanzig und vier Jahren. Na und? England war voll von solchen Familien, die geschäftig in den Hinterwäldern dahinlebten, ohne viel zu tun.
Wenn man dann zu ihnen eingeladen worden wäre, hätte man wohl kaum geahnt, dass hier Legenden im Entstehen begriffen waren, auch wenn man vermutlich über die Vorgänge im Hause hätte staunen müssen. Es existierte da ein gewisser kollektiver Charakter, wie immer in großen Familien. Das lag vielleicht am Ton -die Mädchen bedienten sich einer gemeinsamen Redeweise: ein lautes, undeutlich-gedehntes Sprechen, das bis zum Aufkreischen ging. Auch am Humor, der sich darin äußerte, dass sie sich mit Spitznamen traktierten und sich Bruchstücke einer Kindersprache, eines Geheimcodes zuwarfen; so entstand unter ihnen eine Solidarität, die für alle anderen eine Herausforderung bedeutete. Als Kinder eines Lords stand ihnen der Ehrentitel Honourable zu, abgekürzt Hon. Die jüngeren Schwestern schlossen sich zu einer Gesellschaft von Hons zusammen, die sich gegen Außenstehende richtete, gegen die Anti-Hons – wenn nicht snobistisch, so war es doch schick.
Auf den ersten Blick hätte Lord Redesdale im Kreis seiner Töchter als Außenstehender gelten können. Als Exempel seiner Gattung und seiner Zeit war er jeder Zoll ein Lord: groß, von distinguiertem Aussehen, wenig mitteilsam, doch mit einer
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