Englische Liebschaften (Nancy Mitford - Meisterwerke neu aufgelegt) (German Edition)
»Türkische Patrouille« – das Stück begann piano, wurde dann forte und endete pianissimo.
»Seht ihr«, erklärte er zuweilen, »sie kommen aus einem Wald heraus, und dann hört man, wie sie in den Wald zurückgehen. Keine Ahnung, warum es Türkisch heißt, unvorstellbar, dass Türken so ein Stück spielen, außerdem gibt es in der Türkei überhaupt keine Wälder. Es ist bloß ein Name, mehr nicht.«
Ich nehme an, es erinnerte ihn an seine Heimwehr, die auch immer in Wälder hineinmarschierte und dann wieder daraus hervorkam, und dabei tarnten sich die armen Kerle oft mit Zweigen wie einst, als Birnams Wald zum Dunsinan emporstieg.
So hatten wir alle Hände voll zu tun mit Flicken und Stopfen und Waschen und erledigten eher die Arbeit für das Kindermädchen, als dass wir uns um die Kinder gekümmert hätten. Ich habe zu viele Kinder ohne Kindermädchen aufwachsen sehen, als dass ich dies noch für wünschenswert halten könnte. Die Frauen einiger fortschrittlicher Dozenten in Oxford machten es aus prinzipiellen Erwägungen oft so; aber im Laufe der Zeit vertrottelten sie dabei, während ihre Kinder völlig verwahrlost aussahen und sich wie die Barbaren aufführten.
Aber wir mussten uns nicht nur um die Kleidung der Kinder kümmern, die schon da waren, sondern auch um die der Babys, die wir erwarteten, auch wenn sie vieles von ihren Brüdern und Schwestern erben würden. Linda, die natürlich keinen Vorrat an Babykleidung besaß, tat nichts von alledem. Mit Kissen und Decken aus den unbenutzten Schlafzimmern richtete sie sich in einem der Lattenregale im Wäscheschrank der Hons eine Art Koje her; dort lag sie, in ihre Nerzdecke gehüllt, Plon-plon neben sich, den ganzen Tag und las Märchen. Wie früher war der Wäscheschrank der Hons der wärmste, der einzige wirklich warme Ort im Haus. Sooft ich konnte, nahm ich meine Näharbeit mit hinauf und setzte mich zu ihr, und dann legte sie das blaue oder grüne Märchenbuch, Andersen oder Grimm, beiseite und erzählte mir ausführlich von Fabrice und dem glücklichen Leben, das sie in Paris mit ihm geführt hatte. Manchmal gesellte sich auch Louisa zu uns, dann brach Linda ab, und wir unterhielten uns über John Fort William und die Kinder. Aber Louisa war immer rastlos und rührig, zum Plaudern nicht besonders aufgelegt, außerdem brachte es sie in Rage, zuzusehen, wie Linda Tag für Tag völlig untätig blieb.
»Was soll das Kind denn eigentlich anziehen, das arme Ding«, sagte sie oft wütend zu mir, »und wer wird sich darum kümmern, Fanny? Schon jetzt ist sonnenklar, dass es an dir und mir hängen bleibt, dabei haben wir doch wirklich genug zu tun. Und noch etwas: Linda liegt da in ihrem Zobel oder was es ist – aber sie hat überhaupt kein Geld, sie ist mittellos, ich glaube nicht, dass sie daran auch nur einen Gedanken verschwendet. Und was wird Christian sagen, wenn er von dem Kind hört? Juristisch gesehen, ist es ja seines – er wird einen Prozess anstrengen müssen, um es für unehelich zu erklären, und was gibt das dann für einen Skandal! Anscheinend hat Linda über das alles noch nie nachgedacht. Sie müsste außer sich sein vor Sorge, stattdessen gebärdet sie sich wie eine Millionärsgattin zu Friedenszeiten. Ich kann das einfach nicht mit ansehen.«
Dennoch, Louisa hatte ein gutes Herz. Am Ende war sie es, die nach London fuhr und eine Babyausstattung besorgte. Linda verkaufte Tonys Verlobungsring zu einem erschreckend niedrigen Preis, um sie zu bezahlen.
»Denkst du eigentlich nie an deine Ehemänner?«, fragte ich sie eines Tages, nachdem sie stundenlang über Fabrice gesprochen hatte.
»Doch, komischerweise denke ich ziemlich oft an Tony. Christian war nur ein Zwischenspiel, für mein Leben zählt er kaum, denn unsere Ehe dauerte ja doch nur sehr kurz, und dann wurde sie von dem, was danach kam, vollkommen in den Schatten gestellt. Ich weiß nicht, es fällt mir schwer, mich daran zu erinnern, aber ich glaube, stark waren meine Gefühle für ihn nur ein paar Wochen lang, gleich zu Anfang. Er hat einen vornehmen Charakter, ein Mann, den man achten kann, ich werfe mir nicht vor, dass ich ihn geheiratet habe, aber er hat kein Talent für die Liebe. Mit Tony jedoch war ich so lange verheiratet, mehr als ein Viertel meines Lebens, wenn man es recht bedenkt. Er hat mich gewiss geprägt. Und ich erkenne jetzt, dass nicht er schuld daran war, dass es schiefgelaufen ist, der arme Tony, ich glaube nicht, dass es mit einem anderen (es sei denn,
Weitere Kostenlose Bücher