Enigma
bewußt wurde, daß er eine passable Verkörperung von Napoleon abgab, woraufhin er prompt die Hand wieder fallen ließ.
Was Heaviside anging, so war er dermaßen stolz auf die Arbeit, die in Beaumanor geleistet wurde, daß er die beiden am liebsten eine ganze Woche dabehalten hätte. Aber als er, eine endlose halbe Stunde später, vorschlug, sie sollten sich den Fuhrpark und die Hilfsgeneratoren ansehen, war es Hester, die schließlich die Geduld verlor und sagte - in der Rückschau ein wenig zu entschieden -, nein, danke, wir müssen jetzt wirklich losfahren.
»Tatsächlich? Eine verdammt lange Fahrt für nur zwei Stunden Aufenthalt.« Heaviside machte einen ratlosen Eindruck. »Der Commander wird sehr enttäuscht sein, wenn er Sie nicht mehr antrifft.«
»Tut uns leid«, sagte Jericho. »Ein andermal.«
»Das liegt bei Ihnen, alter Junge«, sagte Heaviside verärgert. »Wir wollen uns nicht aufdrängen.« Jericho machte sich Vorwürfe, weil er dessen Gefühle verletzt hatte.
Heaviside begleitete sie zu ihrem Wagen, machte unterwegs kurz halt, um sie auf eine alte Galionsfigur in Gestalt eines Admirals hinzuweisen, die auf einer Pferdetränke thronte. Irgendein Witzbold hatte eine Armeeunterhose über das Schwert des Admirals drapiert, die in der feuchten Kälte schlaff herabhing. »Cornwallis«, sagte Heaviside. »Haben ihn auf dem Gelände gefunden. Unser Talisman.«
Als sie sich verabschiedeten, schüttelte er beiden die Hand, zuerst Hester und dann Jericho, und als sie in den Austin einstiegen, salutierte er. Er drehte sich um, als wollte er gehen, dann erstarrte er und beugte sich plötzlich zum Fenster hinunter.
»Was sagten Sie doch gleich, was Sie tun, Mister Jericho?«
»Ich habe es nicht gesagt.« Jericho lächelte und ließ den Motor an. »Kryptoanalytische Arbeit.«
»Welche Abteilung?«
»Das darf ich Ihnen leider nicht sagen.«
Er legte den Rückwärtsgang ein und vollführte eine ungeschickte Dreiviertelwendung. Als sie abfuhren, konnte er Heaviside im Rückspiegel sehen. Er stand im Regen, hatte eine Hand schützend über die Augen gelegt und schaute ihnen nach. Die Kurve in der Auffahrt führte sie nach links, und das Spiegelbild verschwand.
»Ich wette tausend zu eins«, murmelte Jericho, »daß er auf dem Weg zum nächsten Telefon ist.«
»Sie haben sie?«
Er nickte. »Wir wollen warten, bis wir ein Stück von hier entfernt sind.«
Durch das Tor, die Straße entlang, am Dorf vorbei, auf den Wald zu. Der Regen peitschte in gespenstischen weißen Säulen, die aussahen wie die Banner einer Phantomarmee, über die dunklen, bewaldeten Hänge. Ein großer Vogel flog einsam durch den Wolkenbruch, sehr hoch und weit entfernt. Die Scheibenwischer ruckten hin und her. Die Bäume schlossen sie immer mehr ein.
»Sie waren sehr gut«, sagte Jericho.
»Bis gegen Ende. Zum Schluß war es unerträglich, nicht zu wissen, ob Sie es geschafft hatten oder nicht.«
Er fing an, ihr von dem Lagerraum zu erzählen, aber dann bemerkte er einen Weg, der von der Straße in die Abgeschiedenheit des Waldes abzweigte.
Der ideale Ort.
Sie rumpelten ungefähr hundert Meter weit den unebenen Weg entlang, durch Pfützen hindurch, die in Wirklichkeit tiefe Schlaglöcher waren. Beiderseits von ihnen spritzte Wasser auf und klatschte gegen die Unterseite des Chassis. Es sprudelte durch ein Loch neben Hesters Füßen und durchweichte ihre Schuhe. Als die Scheinwerfer schließlich auf einen Morast fielen, der zu breit war, als daß sie darüber hätten hinwegfahren können, stellte Jericho den Motor ab.
Nichts war zu hören außer dem Prasseln des Regens auf das dünne Metalldach. Überhängende Aste sperrten den Himmel aus. Es war fast zu dunkel zum Lesen. Er schaltete die Innenbeleuchtung ein.
» VVVADU QSA? K .« Jericho las das »Flüstern« des ersten Logblattes vor. »Was, wenn ich mich von meiner Zeit bei der Funkverkehrsanalyse her recht erinnere, ungefähr heißt: Hier ist Sender Rufzeichen ADU , erbitte Angabe über meine Sendestärke, Ende.« Er fuhr mit dem Finger über den Durchschlag. Der Q-Code war eine internationale Signalsprache, das Esperanto des drahtlosen Funkverkehrs; er kannte sie auswendig. »Und dann haben wir VVVCPQ BT QSA4 QSA? K : Hier ist Sender Rufzeichen CPQ , Pause, Ihre Sendestärke ist gut, wie ist meine Sendestärke, Ende.«
» CPQ «, sagte Hester und nickte. »Das Rufzeichen kenne ich. Es hat etwas mit dem Oberkommando der Wehrmacht in Berlin zu tun.«
»Gut. Damit wäre ein
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