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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Baracke, öffnete eine Tür, schaltete das Licht ein und trat zurück, damit sie hineinschauen konnten. Ein begehbarer Kleiderschrank. Eine Reihe von einem Dutzend dunkelgrüner Aktenschränke. Kein Fenster. Lichtschalter links neben der Tür.
    »Wie sind sie geordnet?« fragte Jericho.
    »Chronologisch.« Er machte die Tür wieder zu.
    Wird nicht abgeschlossen, registrierte Jericho. Und die Tür nicht sichtbar, außer für die vier Frauen, die ihr am nächsten saßen. Er spürte, wie sein Herz zu hämmern begann.
    »Major Heaviside, Sir!«
    Sie drehten sich um und sahen, daß Kay aufgestanden war und sie herbeiwinkte, wobei sie einen ihrer Kopfhörer ans Ohr drückte.
    »Mein geheimnisvoller Pianist, Sir. Er hat gerade wieder angefangen, seine Tonleitern zu spielen, Sir, falls Sie es hören wollen.«
    Heaviside setzte sich den Kopfhörer als erster auf. Er hörte mit bedächtiger Miene zu, wobei er den Blick auf irgend etwas in der Ferne zu richten schien. Er sah aus wie ein Arzt mit einem Stethoskop, den man zu einer wichtigen Diagnose gerufen hatte. Er schüttelte den Kopf, zuckte die Achseln und gab Hester die Kopfhörer.
    »Nicht unsere Sache, den Gründen nachzuspüren, alter Junge«, sagte er zu Jericho.
    Als Jericho an der Reihe war, nahm er seinen Schal ab und legte ihn auf den Fußboden neben dem Kabelschacht, der den Empfänger mit den Antennen und der Stromversorgung verband. Das Aufsetzen des Kopfhörers war ungefähr so, als tauchte man den Kopf unter Wasser. Merkwürdige Geräusche stürmten auf ihn ein. Ein Heulen, das ihn an den Wind in der Antennenanlage erinnerte. Ein andauerndes Gewehrknattern. Zwei oder drei verschiedene Morseübertragungen, die ineinander übergingen. Und plötzlich, völlig überraschend, eine deutsche Diva, die eine Opernarie sang, die, wie er sich vage erinnerte, aus dem zweiten Akt des Tannhäuser stammte.
    »Ich kann überhaupt nichts hören.«
    »Muß von der Frequenz abgeglitten sein«, sagte Heaviside. Kay drehte die Scheibe ein ganz klein wenig gegen den Uhrzeigersinn, die Geräusche stiegen und fielen um eine Oktave, die Diva verschwand, noch mehr Gewehrknattern, und dann, als träte man in ein freies Gelände, ein Stakkato aus Morsezeichen, da-da-di-da-da-, die über eine Entfernung von mehr als tausend Meilen, irgendwo in der von Deutschland besetzten Ukraine, klar und dringlich pulsierten.
    Sie hatten den halben Weg zur Fernschreiberbaracke zurückgelegt, als Jericho plötzlich die Hand an seine Kehle hob und sagte: »Mein Schal.«
    Sie blieben im Regen stehen.
    »Ich werde eines der Mädchen bitten, ihn zu holen.«
    »Nein, nein, ich hole ihn selbst. Ich komme dann nach.« Hester reagierte sofort. »Und wie viele Maschinen haben Sie, sagten Sie?« Sie setzte sich wieder in Bewegung.
    Heaviside zögerte einen Moment zwischen den beiden, dann eilte er hinter Hester her. Jericho hätte sie küssen können. Er hörte die Antwort des Majors nicht. Sie wurde vom Wind davongepeitscht.
    Du bist ganz ruhig, erklärte er sich, du bist völlig selbstsicher, du tust nichts Unrechtes…
    Er kehrte in die Baracke zurück. Die Aufseherin stand gerade über eine der aufnehmenden Frauen gebeugt und wandte ihm den Rücken zu. Sie sah ihn nicht. Er ging schnell und geradeaus schauend den Mittelgang entlang und betrat den Lagerraum. Er machte die Tür hinter sich zu und schaltete das Licht ein.
    Wieviel Zeit hatte er? Nicht viel…
    Er zog an der ersten Schublade des ersten Aktenschrankes. Verschlossen. Verdammt. Er versuchte es noch einmal. Warte. Nein, sie war nicht verschlossen. Der Schrank war mit einem irritierenden Sicherungsmechanismus ausgestattet, der verhinderte, daß zwei Schubladen gleichzeitig geöffnet werden konnten. Jericho schaute hinunter und sah, daß die unterste Schublade ein Stückchen herausragte. Er schob sie vorsichtig mit dem Fuß zu, und zu seiner Erleichterung glitt die oberste Schublade auf.
    Aktendeckel aus brauner Pappe, Bündel von verwischten Durchschlägen, mit Büroklammern zusammengehalten. Logblätter und rote Aufnahmeformulare. Tag, Monat und Jahr in der rechten oberen Ecke. Bedeutungslose Stapel von handgeschriebenen Lettern. Eine Akte war vom 15. Januar 1943.
    Er trat zurück und zählte schnell. Fünfzehn Schächte mit je vier Schubladen. Sechzig Schubladen. Grob gerechnet eine Schublade am Tag. Konnte das stimmen?
    Er trat vor den sechsten Schrank und öffnete die dritte Schublade von oben.
    6. Februar. Volltreffer.
    Er hielt sich Hester

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