Enigma
Geheimnis gelüftet.« Er wendete seine Aufmerksamkeit wieder dem Blatt zu. » VVVADU QSA3 QTC1 K : Smolensk an Berlin, Ihre Sendestärke ist halbwegs gut. Ich habe eine Nachricht für Sie, Ende. QRV , sagt Berlin: Ich bin bereit. QXH K : Geben Sie Ihre Nachricht durch, Ende. Daraufhin sagt Smolensk: QXA109 : meine Nachricht besteht aus 109 Chiffregruppen.«
Hester schwenkte triumphierend das erste Kryptogramm: »Das ist es. Genau einhundertneun.«
»Gut. Sehr gut. Also das kommt durch, ohne Probleme vermutlich, denn Berlin antwortet: VVVCPQ R QRU HH VA : Nachricht empfangen und verstanden. Ich habe nichts für Sie. Heil Hitler und gute Nacht. Alles ganz glatt und methodisch, genau, wie es im Buche steht.«
»Diese Frau in der Horchbaracke hat gesagt, er wäre präzise.«
»Was wir leider nicht haben, sind die Antworten aus Berlin.« Er überflog die Logblätter. »Problemlose Verbindung auch am 9. und am 20. Ah«, sagte er, »am 2. März scheint es etwas komplizierter gewesen zu sein.« Das Formular enthielt eine Menge knappen Dialog. Er hielt es ans Licht. Smolensk an Berlin: QZE, QRJ, QRO… (Ihre Frequenz ist zu hoch, Ihre Signale sind zu schwach, erhöhen Sie Ihre Stärke). Und Berlin erwidert schroff: QWP. QRX1 (Beachten Sie die Vorschriften, warten Sie zehn Minuten) und schließlich ein wütendes QRX (Schluß machen). »Aber das hier ist interessant. Kein Wunder, daß sie sich plötzlich wie Fremde anhören.« Jericho schaute genauer hin. »Das Rufzeichen in Berlin hat sich geändert.«
»Geändert? Absurd. In was geändert?«
» TGD. «
»Was? Lassen Sie mich sehen.« Sie riß ihm das Formular aus der Hand. »Das ist unmöglich. Nein, nein. TGD ist kein Rufzeichen der Wehrmacht…«
»Woher wissen Sie das so genau?«
»Weil ich es weiß. Es gibt einen ganzen Enigma-Schlüssel, der nach TGD benannt ist. Er konnte nie geknackt werden. Er ist berühmt.« Sie hatte angefangen, sich nervös eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger zu wickeln. »Berüchtigt wäre wohl eher zutreffend.«
»Was ist es?«
»Es ist das Rufzeichen der Gestapo-Zentrale in Berlin.«
»Gestapo?« Jericho überflog die restlichen Blätter. »Aber sämtliche Meldungen vom 2. März an«, sagte er, »das sind acht von den elf, all die langen - darunter die vier in Claires Zimmer -, sind alle an dieses Rufzeichen gerichtet.« Er gab ihr die Formulare, damit sie selbst sehen konnte, und lehnte sich in seinem Sitz zurück.
Eine Bö fuhr in die Äste über ihnen, und Regenwasser prasselte wie eine Salve auf die Windschutzscheibe.
»Lassen Sie uns versuchen, eine Theorie aufzustellen«, sagte Jericho ein oder zwei Minuten später, und er sagte es nur deshalb, weil er eine menschliche Stimme hören wollte. Das Prasseln des Regens und die Düsternis des Waldes fingen an, ihm auf die Nerven zu gehen. Hester hatte die Füße von dem klatschnassen Boden hochgezogen und hockte nun sehr klein auf dem Beifahrersitz und starrte hinaus in den Wald. Sie hatte die Arme um die Beine geschlungen und massierte von Zeit zu Zeit durch ihre nassen Strümpfe hindurch ihre Zehen.
»Der 4. März ist der entscheidende Tag«, fuhr er fort. (Wo war ich am 4 März? In einer anderen Welt: habe vor einer Gasheizung in Cambridge Sherlock Holmes gelesen, bin Mister Kite aus dem Weg gegangen und habe gelernt, wieder spazierenzugehen…) »Bis zu diesem Tag verlief alles ganz normal. Eine Nachrichtenabteilung, die in der Ukraine überwintert und den ganzen Winter über keinen Ton von sich gegeben hat, erwacht bei Einsetzen wärmeren Wetters plötzlich zum Leben. Zuerst ein paar Meldungen an das Oberkommando der Wehrmacht in Berlin, und dann ein Haufen längerer Meldungen an die Gestapo…«
»Das ist nicht normal«, erklärte Hester entschieden. »Eine Einheit des Heeres, die in einem Enigma-Schlüssel der Ostfront Berichte an die Zentrale der Geheimpolizei übermittelt? Ich würde sagen, so etwas hat es noch nie gegeben.«
»So ist es.« Es störte ihn nicht, daß sie ihn unterbrach - er war froh über ein Zeichen, daß sie ihm zuhörte. »So etwas ist noch nie vorgekommen, so daß jemand in Bletchley hellhörig wird und sich fragt, was da vor sich geht, und in Panik gerät. Alle bisherigen Meldungen werden aus der Registratur entfernt. Und kurz vor Mitternacht desselben Tages ruft Ihr Mister Mermagen in Beaumanor an und sagt den Leuten dort, sie sollen mit dem Auffangen aufhören. Hat es das schon einmal gegeben?«
»Niemals.« Sie schwieg einen Moment, dann
Weitere Kostenlose Bücher