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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Wallace´ säuberliche Aufzeichnungen vor Augen. 6.2./12.15 9.2./14.27 20.2./18.07 2.3./16.39, 19. 0 1…
    Es wäre ihm lieber gewesen, wenn seine Finger nicht auf die Größe von Würsten angeschwollen gewesen wären, wenn sie nicht gezittert hätten und glitschig vor Schweiß gewesen wären, wenn er es irgendwie fertiggebracht hätte, richtig durchzuatmen.
    Jemand mußte hereinkommen. Bestimmt würde ihn jemand hören, wie er da Metallschubladen öffnete und schloß wie Orgelregister, zwei, drei, vier Kryptogramme herauszog und außerdem die Logblätter (Hester hatte gesagt, sie wären nützlich), sie in die Innentasche seines Mantels stopfte, fünf, sechs - fallengelassen, verdammt - sieben Kryptogramme. Da hätte er beinahe aufgegeben - »machen Sie Schluß, alter Freund, solange Sie einen Vorsprung haben« -, aber er brauchte auch die letzten vier, die vier, die Claire in ihrem Zimmer versteckt hatte.
    Er öffnete die oberste Schublade des dreizehnten Aktenschranks, und da waren sie, ziemlich weit hinten, praktisch hintereinander, Gott sei Dank.
    Schritte außerhalb des Lagerraums. Er griff sich die Logblätter und die roten Formulare und hatte es gerade geschafft, sie in seiner Tasche zu verstauen und die Schublade zu schließen, als die Tür geöffnet wurde und die Silhouette der schlanken Figur der Aufnehmerin Kay erschien.
    »Mir war so, als hätte ich Sie hereinkommen sehen«, sagte sie, »Sie haben Ihren Schal vergessen, nicht wahr?« Sie hielt ihn hoch und machte die Tür hinter sich zu, dann kam sie in dem schmalen Raum langsam auf ihn zu. Jericho stand da wie gelähmt, mit einem idiotischen Grinsen im Gesicht.
    »Ich möchte Sie nicht belästigen, Sir, aber es ist doch wichtig, oder?« Ihre dunklen Augen waren groß. Er registrierte abermals, daß sie sehr hübsch war, sogar in ihrer Heeresuniform. Die Jacke war in der Taille fest gegürtet. Etwas an ihr erinnerte ihn an Claire.
    »Wie bitte?«
    »Ich weiß, ich sollte nicht fragen, Sir - wir sollen nie Fragen stellen, nicht wahr -, aber, nun, ist es wirklich wichtig? Niemand sagt uns etwas, verstehen Sie. Unsinn, mehr ist es für uns nicht, nur Unsinn, Unsinn, den ganzen Tag hindurch. Und die ganze Nacht. Man versucht zu schlafen, und man hört es immer noch - piep-piep-piep. Macht einen verrückt mit der Zeit. Ich habe mich freiwillig gemeldet, verstehen Sie, aber dieser Ort hier ist nicht das, was ich erwartet hatte. Kann es nicht einmal meinen Eltern erzählen.« Sie war sehr nahe an ihn herangekommen. »Bringen Sie einen Sinn hinein? Ist es wichtig? Ich werde es nicht weitersagen«, setzte sie feierlich hinzu, »ganz bestimmt nicht.«
    »Ja«, sagte Jericho. »Wir bringen Sinn hinein, und es ist wirklich wichtig. Das kann ich Ihnen versichern.«
    Sie nickte, lächelte, legte ihm den Schal um den Hals und schlang ihn zusammen, dann ging sie langsam aus dem Lagerraum und ließ die Tür offen. Er wartete zwanzig Sekunden, dann folgte er ihr. Niemand hielt ihn an, als er durch die Baracke und hinaus in den Regen ging.

4.
    Heaviside wollte nicht, daß sie abfuhren. Jericho versuchte schwächlich zu protestieren - das Licht sei schlecht, sagte er, sie hätten eine lange Fahrt vor sich, sie müßten vor der Verdunkelung zurück sein -, aber Heaviside war bestürzt. Er bestand darauf, daß sie mindestens noch einen Blick auf die Peilanlage und die Hochgeschwindigkeitsempfänger warfen. Er war dermaßen begeistert, daß man glauben konnte, er würde in Tränen ausbrechen, wenn sie nein sagten. Und so trabten sie brav hinter ihm her über den nassen, glatten Beton, zuerst zu einer Reihe von Holzbaracken, die so getarnt waren, daß sie wie Stallgebäude aussahen, und dann zu einem weiteren falschen Cottage.
    Im Hintergrund heulten die Antennen gespenstisch im Chor. Heaviside wurde immer aufgeregter, als er sich über abwegige technische Details von Wellenlängen und Frequenzen ausließ. Hester heuchelte heroisch Interesse und vermied es tunlichst, Jericho in die Augen zu sehen, der die ganze Zeit ängstlich umherlief, ohne etwas zu hören, als sei er in einen Kokon eingesponnen, und jeden Augenblick auf die fernen Geräusche der Entdeckung und des Alarms gefaßt war. Noch nie war ihm mehr daran gelegen gewesen, von irgendwo zu verschwinden. Von Zeit zu Zeit wanderte seine Hand verstohlen zur Innentasche seines Mantels, und einmal ließ er sie darin, weil es eine Beruhigung war, das rauhe Papier der Funksprüche zwischen den Fingern zu spüren, bis ihm

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