Enigma
tun Sie mir einen Gefallen, Puck«, sagte er. »Tun Sie so, als hätten Sie mich nicht gesehen.«
Puck musterte ihn einen Moment, dann schloß er die Augen. »Sie stecken wirklich voller Geheimnisse«, murmelte er schläfrig.
Auf dem Flur lief Jericho Logie direkt in die Arme.
»Ah, da sind Sie ja, mein Guter. Ich fürchte, wir müssen miteinander reden.«
»In Ordnung, Guy. In Ordnung.« Jericho klopfte Logie auf die Schulter und zwängte sich an ihm vorbei. »Lassen Sie mir nur zehn Minuten Zeit.«
»Nein, nicht erst in zehn Minuten«, rief Logie ihm nach, »sondern gleich!«
Jericho tat so, als hätte er ihn nicht gehört. Er trabte hinaus in die frische Luft, umrundete flott die Ecke, ging an Baracke 6 vorbei auf den Eingang von Baracke 3 zu. Erst als er nur noch zwanzig Schritte davon entfernt war, wurde er langsamer, dann hielt er an.
Tatsache war, daß er sehr wenig über Baracke 3 wußte, außer daß sie der Ort war, an dem die entschlüsselten Funksprüche vom deutschen Heer und der Luftwaffe weiterverarbeitet wurden. Sie war ungefähr doppelt so groß wie die anderen Baracken und hatte die Form eines L. Sie war um die gleiche -Zeit gebaut worden wie alle anderen provisorischen Gebäude, im Winter 1939 - ein Holzskelett, das sich aus dem gefrorenen Lehm von Buckinghamshire erhob und mit Asbest und dünnen Brettern verkleidet war -, und zur Beheizung, erinnerte er sich, hatten sie aus einem der viktorianischen Gewächshäuser einen großen gußeisernen Ofen abgezogen. Claire hatte sich beklagt, daß sie immer fror. Sie fror, und ihre Arbeit war »langweilig«. Aber in welchem der zahllosen Räume dieses Kaninchenbaus sie arbeitete, wußte er nicht, und schon gar nicht, worin ihr »langweiliger« Job bestand.
Irgendwo hinter ihm schlug eine Tür zu. Er warf einen Blick über die Schulter und sah Logie, der gerade um die Ecke der Marinebaracke bog. Verdammt. Er ließ sich auf ein Knie nieder und tat so, als müßte er seine Schnürsenkel nachbinden, aber Logie hatte ihn nicht gesehen. Er ging zielstrebig auf das Herrenhaus zu. Das schien Jericho in seinem Entschluß zu bestärken. Sobald Logie außer Sichtweite war, zählte er bis zehn, dann überquerte er den Weg und betrat die Baracke.
Er gab sich alle Mühe, so auszusehen, als hätte er ein Recht darauf, hier zu sein. Er zog einen Stift aus der Tasche und ging zielstrebig den Mittelgang entlang, vorbei an Fliegern und Offizieren des Heeres, schaute mit amtlicher Miene von einer Seite zur anderen in die Arbeitsräume. Hier herrschte sogar noch größere Enge als in Baracke 8. Der Lärm von Schreibmaschinen und Telefonen wurde durch die Holzwände wie von einer Membran verstärkt, so daß man sich wie in einem Tollhaus vorkam.
Er hatte kaum die Hälfte des Ganges hinter sich gebracht, als ein Oberst mit einem dicken Schnurrbart schneidig aus einem Zimmer heraustrat und ihm den Weg verstellte. Jericho nickte und versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben, aber der Oberst trat gewandt zur Seite.
»Einen Moment, Fremder. Wer sind Sie?«
Einem Impuls nachgebend, streckte ihm Jericho eine Hand entgegen. »Tom Jericho«, sagte er. »Wer sind Sie?«
»Wer ich bin, geht Sie nichts an.« Der Oberst hatte kannenförmige Ohren und schwarzes Haar mit einem breiten Mittelscheitel, der aussah wie eine Feuerschneise. Er ignorierte die ihm dargebotene Hand. »Welches ist Ihre Abteilung?«
»Marine. Baracke 8.«
»Baracke 8? Und was wollen Sie hier?«
»Ich suche Doktor Weitzman.«
Eine geschickte Lüge. Er kannte Weitzman aus dem Schachclub. Er war ein deutscher Jude, der die britische Staatsbürgerschaft angenommen hatte.
»Ach, wirklich?« sagte der Oberst. »Habt ihr Marineleute noch nie etwas von Telefonen gehört?« Er strich sich über seinen Bart und musterte Jericho von Kopf bis Fuß. »Na ja, dann kommen Sie besser mit.«
Jericho folgte dem breiten Rücken des Obersts den Gang entlang und in einen großen Raum. Zwei Gruppen von ungefähr einem Dutzend Männer saßen an zwei halbkreisförmig aufgestellten Tischreihen und arbeiteten sich durch Drahtkörbe voller entschlüsselter Meldungen hindurch. Walter Weitzman saß in einer Glaskabine hinter ihnen auf einem Hocker.
»Sagen Sie, Weitzman, kennen Sie diesen Burschen?« Weitzmans großer Kopf war über einen Stapel von deutschen Waffenhandbüchern gebeugt. Er schaute auf, irritiert und geistesabwesend, aber als er Jericho erkannte, erhellte ein Lächeln sein melancholisches Gesicht. »Hallo, Tom. Ja,
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