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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Beutel mit Lavendel ließ einen besänftigenden Duft durch ihr Kissen sickern. Doch obwohl sie in ihrem Baumwollnachthemd brav auf dem Rücken lag, mit zusammengepreßten Beinen und auf der Brust gefalteten Händen wie eine Jungfrau auf einem marmornen Grabmal, kamen ihre Gedanken nicht zur Ruhe.
    »ADU, Miss Wallace. Affen denken ungern…«
    Die Gedächtnisstütze wirkte weit besser, als ihr lieb war. Sie konnte sie einfach nicht loswerden, obwohl die Reihenfolge der Buchstaben ihr nichts sagte.
    »Es ist ein Rufzeichen. Wahrscheinlich deutsches Heer oder Luftwaffe…«
    Das war nicht weiter überraschend. Damit war fast zu rechnen. Schließlich gab es so viele von ihnen - Tausende und Abertausende… Die einzige verläßliche Regel war, daß die Rufzeichen von Heer und Luftwaffe nie mit einem D begannen, weil D immer ein Hinweis auf einen kommerziellen deutschen Sender war.
    ADU… ADU…
    Sie konnte es nicht unterbringen.
    Sie drehte sich auf die Seite, zog die Knie bis an den Bauch hoch und versuchte, ihren Kopf mit beruhigenden Gedanken zu füllen. Aber kaum war sie das eindringliche, blasse Gesicht von Tom Jericho losgeworden, da drängte die Erinnerung ihr den runzligen alten Priester von St. Mary auf, dieses krächzende Sprachrohr des heiligen Paulus mit seinem Frauenhaß.
    »Es stehet den Weibern übel an, unter der Gemeinde zu reden… (1. Korinther, 14.35). »… und führen die Weiblein gefangen, die mit Sünden beladen sind…« (2. Timotheus, 3.6) Aus derartigen Texten hatte er eine polemische Predigt zusammengestrickt gegen die kriegsbedingte Beschäftigung des weiblichen Geschlechts - Frauen, die Lastwagen fuhren, Frauen in Hosen, Frauen ohne Begleitung ihrer Ehemänner, die in öffentlichen Lokalen tranken und rauchten, Frauen, die ihr Heim und ihre Kinder vernachlässigten. »Ein schön Weib ohne Zucht ist wie eine Sau mit einem güldenen Haarband.« (Sprüche, 11.22)
    Wenn es nur wahr wäre! dachte sie. Wenn die Frauen tatsächlich die Vorherrschaft über die Männer gewonnen hätten. Vor ihrem inneren Auge ragte fettig die pomadisierte Gestalt von Miles Mermagen, dem Abteilungsleiter, auf. »Meine liebe Hester, eine Versetzung kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt nicht in Frage.« Vor dem Krieg war er Geschäftsführer bei Barclays Bank gewesen, und er liebte es, sich hinter die arbeitenden Frauen zu stellen und ihnen die Schultern zu massieren. Bei der Weihnachtsfeier in Baracke 6 hatte er es geschafft, sie unter den Mistelzweig zu manövrieren, dann hatte er ihr ungeschickt die Brille abgenommen. (»Danke, Miles«, hatte sie gesagt und verzweifelt versucht, einen Witz daraus zu machen, »ohne meine Brille sehen Sie ja halbwegs anziehend aus…«) Seine Lippen auf den ihren waren unangenehm feucht wie der Fuß einer Schnecke und schmeckten nach süßem Sherry.
    Claire hatte natürlich sofort eine Lösung parat gehabt.
    »O Darling, du Ärmste, und angenommen, er hat eine Frau?«
    »Er sagt, sie hätten zu jung geheiratet.«
    »Gut, dann ist sie deine Antwort. Sag ihm, du fändest es nur fair, wenn du zu ihr gingest, um mit ihr zu reden. Sag ihm, du wolltest ihre Freundin sein.«
    »Und was ist, wenn er ja sagt?«
    »O Gott! Dann bleibt dir wahrscheinlich nichts anderes übrig, als ihn in die Eier zu treten.«
    Die Erinnerung brachte Hester zum Lächeln. Sie veränderte abermals ihre Lage im Bett, und das Laken rutschte hoch und verknüllte sich unter ihr. Es war hoffnungslos. Sie streckte die Hand aus, schaltete die kleine Nachttischlampe ein und tastete nach ihrer Brille.
    Ich lerne Deutsch. Ich lernte Deutsch.
    Ich habe Deutsch gelernt…
    Deutsch, dachte sie, Deutsch wäre ihre Rettung. Ausreichende Deutschkenntnisse würden sie aus der Tretmühle des Funkspruchkontrollraums und von den klebrigen Umarmungen von Miles Mermagen erlösen und in die klare Luft des Maschinenraums befördern, wo die wirkliche Arbeit getan wurde - wo sie von Anfang an hätte sitzen müssen.
    Sie setzte sich im Bett auf und versuchte, sich auf Ableman´s German Primer zu konzentrieren. Zehn Minuten reichten gewöhnlich aus, um sie in Schlaf zu versetzen.
    »Bei intransitiven Verben, die eine Veränderung des Ortes oder eines Umstandes anzeigen, wird in der zusammengesetzten Form anstelle des Hilfsverbs haben das Hilfsverb sein gebraucht…«
    Sie schaute auf. War das unten ein Geräusch gewesen?
    »In der untergeordneten Wortfolge steht das Hilfsverb am Schluß, direkt hinter dem Partizip oder dem

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