Enigma
lang.
»Versetzungen von einer Abteilung in eine andere sind, wie ich Ihnen bereits früher gesagt habe, äußerst selten. Wir müssen die Sicherheit berücksichtigen.«
Die Sicherheit berücksichtigen: So hatte er wahrscheinlich vor dem Krieg Kredite abgelehnt. Plötzlich musterte er sie intensiv, und ihr war klar, daß er das Make-up bemerkt hatte. Er hätte nicht verblüffter dreinschauen können, wenn sie sich mit blauer Farbe angemalt hätte. Seine Stimme schien eine Oktave tiefer zu werden.
»Hören Sie, Hester, ich will kein Unmensch sein. Was Sie brauchen, sind ein oder zwei Tage Tapetenwechsel.« Er berührte leicht sein Bärtchen und lächelte schwach, als wäre er überrascht, es noch vorzufinden. »Wie wäre es, wenn Sie zu einer der Horchstellen führen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, an welchem Punkt der Kette Sie stehen? Wissen Sie«, setzte er hinzu, »ich könnte selbst eine kleine Abwechslung brauchen. Wir könnten zusammen hinfahren.«
»Zusammen? Ja… Warum nicht? Und irgendwo unterwegs ein kleines Lokal finden, in dem wir zum Essen einkehren?«
»Hervorragend. Einen richtiggehenden Ausflug machen.«
»Vielleicht ein Lokal mit Zimmern, so daß wir über Nacht bleiben können, falls es spät werden sollte?«
Er lachte nervös. »Eine Versetzung könnte ich trotzdem nicht garantieren.«
»Aber es würde helfen?«
»Das sagen Sie.«
»Miles?«
»Mmmm?«
»Ich würde lieber sterben.«
»Frigides kleines Biest.«
Sie ließ kaltes Wasser ins Becken einlaufen und klatschte es sich wütend ins Gesicht. Das eisige Wasser ließ ihre Hände ertauben und ihr Gesicht schmerzen. Es sickerte in ihren Halsausschnitt und in die Ärmel. Der Schock und das Unbehagen waren ihr willkommen. Sie hatte das verdient, es war eine Strafe für ihre Torheit und ihre Illusionen.
Sie drückte ihren flachen Bauch gegen die Kante des Waschbeckens und starrte kurzsichtig auf das kreidebleiche Gesicht im Spiegel.
Natürlich hatte es keinen Sinn, sich zu beschweren. Ihr Wort stand gegen seines. Niemand würde ihr glauben. Und selbst wenn jemand es tat - na und? So ging es nun einmal zu in der Welt. Miles konnte sie an sich drücken, wenn er Lust dazu hatte, und seine Hand unter ihren Rock schieben, und trotzdem würden sie nicht erlauben, daß sie ging. Niemand, der so viel gesehen hatte wie sie, durfte jemals von hier verschwinden.
Sie spürte ein Prickeln von Selbstmitleid in den Augenwinkeln und beugte sofort wieder ihren Kopf über das Becken und schüttete sich Wasser ins Gesicht, rieb mit einem Stückchen Karbolseife auf ihren Wangen und ihrem Mund herum, bis die Schminke das Wasser rosa gefärbt hatte.
Sie wünschte, sie könnte mit Claire reden.
»ADU, Miss Wallace…«
In der Kabine hinter ihr wurde die Toilettenspülung betätigt. Hastig zog sie den Stopfen aus dem Becken und trocknete Gesicht und Hände ab.
Name der Horchstelle, Auffangzeitpunkt, Frequenz, Rufzeichen, Buchstabengruppen… Name der Horchstelle, Auffangzeitpunkt, Frequenz, Rufzeichen, Buchstabengruppen Hesters Kopf bewegte sich mechanisch über das Formular. Um vier machte sich die erste Hälfte der Nachtschicht auf den Weg zur Kantine.
»Kommst du mit, Hetty?«
»Geht nicht, zuviel zu tun. Ich komme nach.«
»Du Ärmste.«
»Du Ärmste und der verdammte Miles«, sagte Beryl McCann, die einmal mit Mermagen ins Bett gegangen war und sich inständig wünschte, sie hätte es nicht getan.
Hester senkte den Kopf tiefer über ihren Schreibtisch und fuhr fort, in ihrer säuberlichen Lehrerinnenhandschrift zu schreiben. Sie beobachtete, wie die anderen Frauen ihre Mäntel anzogen und hinausgingen, wobei ihre Schritte auf dem Holzfußboden dröhnten. Oh, Claire war so komisch gewesen, was die anderen Frauen anging - das war eines der Dinge, die Hester an ihr am meisten liebte, die Art, wie sie alle nachmachte - Anthea Leigh-Delamare, die Jagdreiterin, die es liebte, in Reithosen zur Arbeit zu kommen; Binnie mit dem wächsernen Teint, die katholische Nonne werden wollte; die Frau aus Solihull, die den Telefonhörer einen halben Meter vom Mund entfernt hielt, weil ihre Mutter ihr gesagt hatte, der Hörer stecke voller Bazillen… Soweit Hester wußte, hatte Claire Miles Mermagen nie zu Gesicht bekommen, und trotzdem konnte sie ihn perfekt nachmachen. Sie hatten sich die Widerwärtigkeiten von Bletchley zu ihrer gemeinsamen Belustigung erkoren, das war ihre Verschwörung gegen die Langweiler.
Als die Außentür geöffnet wurde, strömte
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