Entbrannt
des Saals stand und sehr interessiert zuschaute. Er rückte sich die Brille zurecht, und seine Blicke flatterten zwischen uns dreien hin und her, als würde er mit irgendwelchem Unfug rechnen.
Lilith sah ebenfalls misstrauisch aus.
»O livier war für sie verantwortlich«, sagte Lilith.
Olivier trat vor. »W ie ich bereits erklärt habe, wurden wir angegriffen.« Vielsagend sah er Phoenix an.
Lilith stand auf und ging mit wiegenden Hüften und Haaren wie flüssiges Gold auf Olivier zu. Am liebsten hätte ich ihr das Herz herausgerissen.
Geduld.
Ich entdeckte ein niedriges schwarzes Sofa neben Liliths Thron. Lincolns seelenloser Körper lag darauf, er trug ein Halsband, von dem eine einzelne goldene Kette zu Liliths Hand führte. Er atmete. Ich sah nicht lang hin. Reagierte nicht. Konnte nicht.
Evelyn war auch da. Sie war um die Taille herum an einen Pfosten gekettet. Mein toter Blick traf ihre stahlblauen Augen. Ich merkte, dass auch sie versuchte, sich einen Reim darauf zu machen, was da gerade passierte. Fragend zog sie die Augenbrauen nach oben. Ich nickte ihr kaum merklich zu, um sie wissen zu lassen, dass ich einen Plan hatte. Gut war, dass eine solche Geste nicht vermitteln konnte, dass ihr besagter Plan wahrscheinlich nicht gefiel.
Lilith ließ sich Zeit, schlenderte zu Olivier und ging um ihn herum, dann strich sie ihm mit der Hand über die Brust. Selbst jetzt betrachtete sie mich nicht als Bedrohung, sie machte sich nicht mal die Mühe, mich zu durchsuchen oder die Fesseln zu überprüfen. Ihr Ego würde ihr Ende sein.
»D u hast mir gesagt, du wärst stark«, sagte sie sanft zu Olivier.
»D as bin ich auch«, zischte er, schaffte es aber nicht, die Verachtung zu verbergen, die er für sie empfand. Trotz allem, was er dafür tun würde, um die Grigori zu vernichten, war er immer noch ein Engel des Lichts gewesen, und Lilith ein Engel der Finsternis. Sie waren keine Freunde.
»D u sagtest mir, du wärst der Beste vom Licht«, sagte sie.
»D as bin ich.«
Lilith holte tief Luft, schloss kurz die Augen und entfernte sich langsam von ihm. Ohne dass sie sich umschaute, erhob sich um sie herum ein Windstoß, der ihre langen goldenen Haare wie Nadelspitzen aufstellte. Sie hielt inne, und plötzlich flogen ihre Locken wie ein zusätzliches Glied nach hinten und peitschten Olivier durch das Gesicht. Sein Körper zuckte bei dem Kontakt zusammen, sein Gesicht bekam eine geisterhafte Farbe und sank in sich zusammen, als hätten ihn innerhalb von Sekunden Hunderte von Seuchen heimgesucht.
Lilith lächelte mich geheimnisvoll an. Mir drehte sich der Magen um.
Sie wirbelte herum, streckte Arm und Finger aus und rammte ihre bloße Hand direkt in Oliviers Brust. Dann zog sie die Hand, die jetzt Oliviers Herz umklammerte, ebenso schnell wieder heraus. Wenn ich zu einer anderen Zeit Lilith, die Bringerin von Krankheit und Tod, in Aktion gesehen hätte, wäre ich wahrscheinlich außer mir gewesen vor Angst.
Jetzt? Nicht besonders.
»P hoenix, mein Sohn«, sagte sie, als Oliviers Körper verschwunden war und sie wieder ihren Platz auf dem Thron eingenommen hatte. »D u überraschst mich schon wieder.« Sie nickte anerkennend.
Phoenix entfernte sich von mir und verbeugte sich vor Lilith. »M ein Platz ist neben dir, für immer.«
Lilith schien sich über seine Antwort zu freuen und gab ihrem Sohn ein Zeichen, sich hinter sie zu setzen. Er tat es.
»V iolet, ich muss zugeben, du erstaunst mich– für eine Sterbliche. Ziemlich bemerkenswert, dass du so rasch einen Weg zu den Lebenden zurückgefunden hast, aber ich bin froh, dass du wiedergekommen bist. Ich habe mir so sehr gewünscht, dass du deine Liebe wiedersiehst.« Sie riss so stark an der Kette, die sie mit Lincoln verband, dass sein Kopf hochfuhr.
Ich rührte mich nicht.
Lilith seufzte und betrachtete genüsslich seinen Körper.
Ich knirschte mit den Zähnen.
»A m Leben. Aber auch nicht. Die Seele hat mehr Macht als alles andere. Würdest du mir da nicht zustimmen?«
Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf sie und nicht auf den Mann, den ich mehr liebte als das Leben selbst. »D och. Aber jetzt habe ich eine Frage an dich.«
Sie lachte. »J a?«
»H ast du wirklich geglaubt, du könntest mich besiegen? So große Macht du auch hast– dachtest du wirklich, dass du es mit der Macht des Einzigen aufnehmen kannst?«
»I ch habe noch nichts gesehen, was mir das Gegenteil beweist«, sagte sie herablassend.
Ich lächelte, was nur die Leere zeigte,
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