Entdecke die Kraft der Meditation
als hätte ich mir ein Schild umgehängt, auf dem steht: »Mach mit mir, was du willst, ich akzeptiere dich.«
Das ist eine ganz wichtige Frage. Wenn wir Erfahrung mit der Herzensgüte gesammelt haben, werden wir sehen, dass Mitgefühl uns nicht schwach oder gefühlsduselig macht und auch nicht der Gefahr aussetzt, von anderen benutzt zu werden. Aber bis dahin machen wir uns natürlich Sorgen: »Mein Herz ist so offen, ich lasse jeden mit mir oder anderen machen, was er will, und lächle dazu.« Doch das ist einfach unsere Erziehung. Wir alle haben Weisheiten wie diese gelernt: »Reich ihm einen Finger, und er nimmt die ganze Hand« oder »Sie wollen dich doch alle nur ausnutzen«.
Außerdem haben wir die Vorstellung, in einer mitfühlenden Haltung müssten wir immer nett sein und zu allem Ja sagen. Wahres Mitgefühl kann jedoch manchmal darin bestehen, dass wir Nein sagen und das destruktive Verhalten eines anderen einfach nicht mittragen. Wir ziehen Grenzen und tun das uns Mögliche, um jemanden davon abzuhalten, sich selbst zu schaden. Die Herzensgüte-Praxis bedeutet nicht, dass Sie nicht mehr unterscheiden oder vorausschauend handeln.
Eine meiner Freundinnen ist eine wunderbar einfühlsame Therapeutin. Einmal kam ein Mann zu ihr, der unbedingt von ihr behandelt werden wollte. Sie fand seine politischen Ansichten befremdlich, seine Einstellung zu Frauen abstoßend und sein ganzes Verhalten ziemlich ärgerlich, kurz, sie mochte ihn überhaupt nicht und legte ihm nahe, einen anderen Therapeuten zu finden. Aber er fand es so wichtig, gerade bei ihr zu sein, dass sie schließlich nachgab und ihn annahm.
Von da an bemühte sie sich, sein unmögliches Verhalten nicht mehr als verachtenswert oder beängstigend zu empfinden, sondern mitfühlend zu betrachten. Sie sah in immer mehr Einzelheiten, wie schwierig sein Leben war und wie sehr er sich von anderen abgekapselt hatte. Sein Verhalten war ihr weiterhin unangenehm, sie kam jedoch bald zu der Ansicht, dass sie seine Verbündete werden musste, wenn sie ihm helfen wollte, einen Ausweg aus seiner misslichen Lage zu finden. Ich glaube nicht, dass sie ihn je wirklich gemocht oder seine Ansichten geteilt hat, aber sie nahm sich seiner wirklich an und interessierte sich.
Ich arbeite in einem stark wettbewerbsorientierten Beruf, und es fällt mir schwer, mich mit anderen an ihren Erfolgen zu freuen. Dann hasse ich mich, weil ich mich als kleinlich empfinde. Wie kann ich mit solchen Gefühlen umgehen?
Die quälenden Gefühle, die Sie da schildern, wurzeln in dem Glauben, der Erfolg eines anderen und Ihre weniger günstige Lage seien etwas Dauerhaftes und nicht einfach der derzeitige Gang der Dinge. Sich mit anderen zu freuen ist nicht immer leicht, doch das liegt nur an der Annahme, es sei nicht genug für alle da – infolgedessen muss der Erfolg eines anderen natürlich bedeuten, dass wir uns mit den Resten begnügen müssen. Der uns zustehende Erfolg scheint für andere abgezweigt worden zu sein. Sobald solche Gefühle von Neid oder Missgunst auftauchen, darf es nicht darum gehen zu sagen: »Was für ein schrecklicher Mensch ich doch bin!« Beobachten Sie lieber ganz einfach, wie Ihre gewohnte Reaktion aussieht und was für Schmerzen sie Ihnen bereitet.
Sobald Sie Ihre unnötigen Zusätze erkannt haben, können Sie sie vielleicht behutsam loslassen: Ich muss das nicht so sehen. Ich kenne das nur zu gut, ich kann es jetzt sein lassen. Und wenn da ein tiefer Groll in Ihnen ist, werden Sie sich zumindest sagen können, dass auch das sich ändern wird. Sie greifen da eigentlich nur auf eine Weisheit zurück, die wir alle besitzen, und sagen sich: »Okay, alles ändert sich. Ich mache einfach weiter.«
Sie können der Fähigkeit, sich mit anderen zu freuen, ein wenig auf die Sprünge helfen, indem Sie sich an Glückliches in Ihrem eigenen Leben erinnern. Solange wir nicht sehen, dass es auch das gibt, ist es so gut wie unmöglich, sich mit anderen zu freuen. Mitfreude beruht wie alles Großherzige auf einem Gefühl von innerem Reichtum, der etwas anderes ist als äußerer Besitz oder Status. In dem Wissen, dass unser Leben seinen Wert besitzt, können wir mit anderen fühlen und uns an ihrem Erfolg freuen. Die Herzensgüte-Meditation hilft uns, zu diesem Wissen zu finden.
Wenn wir jemandem Gutes wünschen, der offenbar nicht bereit ist, es anzunehmen, drängen wir uns dann auf?
Ich hätte keine Skrupel, solchen Menschen Herzensgüte zu senden. Wir schrauben ja nicht an
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