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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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hat, typische Vertragskonstruktionen, die nach seinem Dafürhalten im Gesundheitswesen nichts zu suchen haben: Ein Grundgehalt von rund 160000 Euro – und einen Bonus von 50000 Euro. Das habe System. »160000 Euro Fixgehalt sind zwar für viele Menschen in Deutschland ein fürstliches Einkommen, aber aus der Sicht eines Chefarztes ist das durchaus angemessen«, erklärt der Anwalt. »Wenn aber ein Drittel des Gehalts als Bonus ausgezahlt wird und dieser Bonus an problematische Ziele geknüpft ist, dann wird es richtig gefährlich.« Gefährlich, weil 50000 Euro Bonus – im Verhältnis zum Grundgehalt – auch für einen Chefarzt zu viel sind, um darauf verzichten zu können? Das sei ja der Sinn der Sache, erklärt Müller, Ärzte sollen einen richtigen Anreiz haben, die geforderten Fallzahlsteigerungen zu liefern. Perfide sei dieses Anreizsystem. Er weiß, dass viele Mediziner in diesen Positionen Geld verdienen wollen und dass bei einem so hohen Bonus Dinge passieren, die er als Patient ziemlich ungemütlich findet. »Das mag bei einem Konzern wie Daimler gehen, die können sagen, wir müssen jedes Jahr fünf Prozent mehr Autos verkaufen, aber doch nicht im Gesundheitswesen.«
    Schwierig findet Müller vor allem, wenn private Klinikketten von ihren Chefärzten oft Jahr für Jahr eine Fallzahlsteigerung von fünf Prozent verlangen. »Am Anfang geht das vielleicht noch, aber nach zwei bis drei Jahren ist das Reservoir an Patienten eigentlich ausgeschöpft«, weiß Müller aus vielen Gesprächen mit den Ärzten, die er berät. »Aber sagen Sie mal einem privaten Betreiber, der bis zu 15 Prozent Rendite einfahren will, dass er die Fallzahlen nicht jedes Jahr steigern kann.«
    Die städtischen und auch die kirchlichen Häuser seien deutlich zurückhaltender. Da liege der Bonus für Fallzahlsteigerungen in der Regel niedriger, zwischen 5000 und 10000 Euro. Boni in dieser Höhe seien nicht ganz so gefährlich, glaubt der Anwalt. Aber er weiß aus Erfahrung, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die städtischen und sogar die kirchlichen Krankenhäuser nachziehen.
    Es war die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die solche Anreize salonfähig machte. Einer der mächtigsten Lobbyverbände in Berlin und einer der wichtigsten Akteure im verschlungenen deutschen Gesundheitswesen. Die Krankenhausgesellschaft versteht sich als Interessensvertretung aller Kliniken und agiert überaus geschickt. Ihr Hauptgeschäftsführer, Georg Baum, hat das gleiche Parteibuch wie der FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Der Einfluss auf die Politik ist enorm. Auch in dem Gremium der ärztlichen Selbstverwaltung, in dem die Gesundheitsversorgung in Deutschland maßgeblich gesteuert wird, im dafür zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss, hat dieser Verband eine wichtige Stimme und blockiert beinahe alles, was die wirtschaftlichen Interessen der Krankenhäuser irgendwie beeinträchtigen könnte.
    Zwischen den Krankenhäusern verschieben sich die Machtverhältnisse. Die privaten Klinikketten vertreten ihre Interessen im Verband der Deutschen Krankenhausgesellschaft immer offensiver. Das bleibt nicht ohne Folgen. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb der Lobbyverband im Jahr 2007 einen »Mustervertrag« ins Netz stellte. Dieser »Mustervertrag« enthält Formulierungshilfen für Bonusverträge 22 . Eine Art Handlungsanleitung für Krankenhausmanager, die sich auf diese Weise sicher sein können, dass sie mit Mengenanreizen in Chefarztverträgen auf der Linie des gesamten Verbandes liegen. Abgesegnet von der Spitze des Lobbyverbands, haben sich diese Verträge in Windeseile verbreitet.
    Die Chirurgen begehren auf
    Fünf Jahre später. Im Frühjahr 2012 geht die altehrwürdige Fachgesellschaft für Chirurgie in die Offensive. Es ist Freitag, der 25. April. Die Luft riecht schon nach Frühling, als sich im Berliner Kongresszentrum jene Mediziner zu ihrem Jahreskongress treffen, die das handwerklich penible Arbeiten am Operationstisch so fasziniert, dass sie in Umfragen sagen, sie stünden am liebsten im OP. In Fernsehserien treten sie in ihren grünen Kitteln erschöpft aus dem Operationssaal, stolz, ein Menschenleben gerettet zu haben.
    Auf den ersten Blick ist es ein Kongress wie viele andere vorher: Im Foyer präsentieren Medizingerätehersteller verfeinerte Operationstechniken, chirurgische Mikroskope, Roboter. Ein Stockwerk höher wird jedoch deutlich, dass die Identifikation der Chirurgen mit ihrem Beruf schwindet, seit sie das

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