Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)
der Bauchspeicheldrüse entfernen und dann zunähen. Und danach käme ich auf Intensiv, und da ich keine Angehörigen habe, sollte ich noch sagen, wer mich dort besuchen darf. Es war unfassbar!
Er hat nicht gesagt: »Wir wollen eine zweite Meinung einholen, wir denken auch über Alternativen nach …« Nicht mal: »Frau D., es könnte Krebs sein, wir wissen es nicht. Deswegen schneiden wir Sie ja auf. Und erst der Pathologe kann endgültig sagen, ob es gut- oder bösartig ist.« Das hat er in keiner Sekunde gesagt. Sondern: Je mehr ich der Diagnose widersprach, umso derber wurde er und umso direkter …
Im Hinterkopf dachte ich die ganze Zeit, die sind alle verrückt. Am Tag der OP wurde die Lunge geröntgt; ich hatte einen Zettel in der Hand für die Röntgenassistentin, stehe im Aufzug und gucke mir so verträumt diesen Zettel an und lese dann … Nierenkarzinom . Hinterher hab ich diesen Arzt, der das ausgestellt hatte – ein junger Assistenzarzt –, zur Rede gestellt: »Andere Leute stürzen sich, wenn sie so etwas lesen, aus dem Fenster, und wie können Sie es wagen, so etwas zu schreiben, wenn die Diagnose nicht bekannt ist?« – »Ich kann ja nicht so einen Roman draufschreiben …« – »Wie wäre es denn mit einem Fragezeichen?«
Also ich dachte öfter, in dieser Klinik sind alle verrückt. Und als ich dann für die OP fertig gemacht wurde, kam wieder ein Arzt – ich weiß schon gar nicht mehr, wer – und faselte irgendwas: »Wir haben auch was an der Lunge gesehen.« Aber da hatte ich schon diese … Beruhigungstablette intus.
Ich hatte keine Angst, eher Wut! Weil ich dachte, so kann man nicht mit jemandem umgehen. Ich meine, das ist doch das Einfachste von der Welt. Man macht mir keine Hoffnung, sondern man sagt: »Wir können nicht sagen, was Sie haben.« Warum hat man mir alles so krass ins Gesicht gesagt? Es tut mir heute noch leid, dass ich die Ärzte nicht irgendwann zur Rede gestellt habe.
Dann hat der Anästhesist – der sehr, sehr nett war – mir noch so eine Rückengeschichte gemacht. Ein Schlauch irgendwie hinten, mit einer Maschine verbunden, wie ein Werkzeugkasten, und die gibt kontinuierlich Schmerzmittel ab. Wenn sie leer ist, dann trötet es, tolle Sache, das hat der Arzt sehr schön gemacht. Ja, und dann bin ich eingeschlafen.
Warum ich keinen Widerstand geleistet habe? Sie haben mich so verrückt gemacht, dass ich selber auch wissen wollte, was es ist. Ob gut- oder bösartig. Die haben mich so krank, so verrückt gemacht, dass ich es einfach wissen wollte.
Nach der OP war der Anästhesist bei mir und hat gesagt: »Es ist alles in Ordnung. Es war nichts, es waren nur Fettgeschwulste.« Dann hab ich gesagt: »Hab ich ja gleich gewusst, klar.« Und dann bin ich wieder eingepennt. Und nun habe ich eine Riesennarbe am Bauch.
Hinterher habe ich den Assistenzarzt gefragt, wie die OP verlaufen ist. Es war in der Tat so, dass der Urologe aufgeschnitten hat, aber da ihm dieses Ding an der Bauchspeicheldrüse so ins Auge gehüpft ist, machte er sich schon mal drüber her. Hat eine Probe entnommen, zum Pathologen geschickt.Gutartig! Da hat er wahrscheinlich schon schlechte Laune bekommen, hat sich dann an die Niere gemacht, und die war dann auch noch gutartig, und dann ist der Bauchchirurg vorbeigekommen: »Wenn ihr mich braucht, ich bin da.« Aber leider hat der Urologe zugenäht, und ein Urologe macht ja normalerweise Nieren- OP s von hinten und ist gar keinen Bauchschnitt gewöhnt. Und so hat er nicht schön genäht, meine Narbe ist wirklich nicht gelungen.
Keiner der Ärzte hat in irgendeiner Form die Diagnosefehler bedauert, erklärt, angesprochen. Und ich habe sie, dummerweise, auch nicht drauf angesprochen, weil die OP so schwer war und ich tagelang nur noch geschlafen habe. Es tut mir heute noch leid, dass ich sie nicht zur Rede gestellt habe. Aber in einem Krankenhaus gelten andere Gesetze. Ich hätte wirklich jemanden gebraucht. Im Krankenhaus braucht man jemanden, der für einen spricht. Einen Mentor, einen Moderator, einen Mediator – ich weiß es nicht. Aber man kann keinen Menschen dieser Ärzteschaft überlassen. Das ist mein Fazit.
Ob irgendjemand überhaupt in der Lage ist, Distanz zur Situation zu entwickeln? Ich behaupte, aus vollstem, tiefstem Herzen: Nein! Man braucht einen anderen. Da könnte man glatt einen Beruf draus machen. Wirklich! Jemand, der mit den Ärzten spricht, und zwar eine Person, die dem Patienten zugewandt ist und nicht den Ärzten. Ich stehe
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